Zwischenruf Griechenland-Pleite kein Weltuntergang
03.11.2011, 13:10 UhrDie griechische Suppe haben sich alle Euroländer durch eklatante Verletzungen der Maastrichter Verträge selbst eingebrockt. Ein schmerzhafter, aber gangbarer Weg für Griechenland wäre der Austritt aus dem Euro.
Es kommt, wie es kommen musste. 17 höchst unterschiedlich entwickelte Staaten mit verschiedenen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitiken, aber einer gemeinsamen Währung, das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Kritiker des Jahrhundertprojekts wurden unter Hinweis auf die No-Bail-Out-Klausel des Maastrichter Vertragswerks ins Abseits gestellt. Der Grundsatz, die Neuverschuldung dürfe drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten, wurde zuerst durch Frankreich und Deutschland und dann durch fast alle anderen Euroländer zu Makulatur. Die für diesen Fall vorgesehenen Sanktionen wurden nie verhängt. Die griechische Suppe haben sich alle Euroländer selbst eingebrockt.
Da mutet es schon höchst seltsam an, wenn Angela Merkel und Nicolas Sarkozy die Zahlung des von allen 17 Euroländern beschlossenen Hilfspakets im Alleingang verweigern, ohne Griechenland selbst und die anderen 14 Eurostaaten zu konsultieren. Sehr demokratisch geht es in EU und Eurozone ohnehin nicht zu; jetzt werden nicht einmal mehr die einfachsten Regeln der Volksherrschaft respektiert.
Billionen als Legitimation
Der Kardinalfehler des Krisenmanagements besteht darin, dass sich wirtschaftlich und politisch mächtige, souveräne Staaten ihr Vorgehen von privaten Finanziers vorschreiben lassen, die durch nichts anderes legitimiert sind als durch die Billionen, die sie angehäuft haben. Obskure Ratingagenturen, deren eigentlicher Zweck in der Gewinnerwirtschaftung besteht, heben oder senken den Daumen nach Gutdünken oder besser: so wie es dem US-Dollar am besten passt.
Wenn Griechenland jetzt dem Staatsbankrott entgegendriftet, geht die Welt nicht unter. Ein Austritt aus der Eurozone wäre ein schmerzhafter Schritt. Aber die Wiedereinführung der Drachme würde eine Abwertung der Währung ermöglichen, was bei einem Verbleib im Euro unmöglich wäre. Krisengebeutelte Staaten wie Russland und Argentinien sind den Weg der Abwertung gegangen; Cristina Kirchner wurde vor ein paar Tagen nicht zuletzt wegen ihrer wirtschaftlichen Erfolgspolitik wieder in die Casa Rosada von Buenos Aires gewählt. So kann sich ein Schrecken in sein Gegenteil verwandeln.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de