Zwischenruf Große Koalition in Sicht
17.09.2012, 15:52 UhrDas Zaudern der SPD, ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahlen zu benennen, schadet der Partei. Die hat immer noch den Klotz "Agenda 2010" am Bein, wird sich aber wohl mit dem Ex-Finanzminister auf einen der Hauptplayer der Agenda festlegen müssen. Damit wird eine Neuauflage der Großen Koalition mit der Union immer wahrscheinlicher.

Die Kombo zeigt den SPD-Bundesvorsitzenden Gabriel, SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier und den SPD-Bundestagsabgeordneten Steinbrück in Berlin auf dem Zukunftskongress der SPD Bundestagsfraktion (v.o.).
(Foto: picture alliance / dpa)
In der russischen Winterlandschaft hat sich die Troika bewährt. Ein Gespann aus drei Pferden, nichts anderes meint das Wort, zieht gewissermaßen an einem Strang und kommt schnell und sicher ans Ziel. Die Erfahrungen mit Troikas in der deutschen Politiklandschaft sind desaströs. Die Mannschaft Lafontaine-Schröder-Scharping war ein Flop. Doch die SPD wird scheinbar nicht aus Schaden klug. Die Troika Gabriel-Steinbrück-Steinmeier war gut für ein paar nette Fototermine und allgemeine Erklärungen. Mehr ist bislang aber nicht rumgekommen. Dabei wäre es ratsam, mit der Benennung eines Spitzenkandidaten nicht bis zu den Landtagswahlen in Niedersachsen Ende Januar nächsten Jahres zu warten.
Überhaupt: Warum ausgerechnet der Urnengang zwischen Nordsee und Harz über die sozialdemokratische Kanzlerkandidatur entscheiden soll, will sich beim besten Willen nicht erschließen. Die Umfragewerte dort sind nicht berauschend. Dann wieder heißt es, der Kandidat würde schon auf dem Bundesparteitag Anfang Dezember gekürt. Bundesweit ist die Partei mit 26 Prozent jedenfalls nur noch drei Punkte vom Desaster 2009 entfernt. Spötter meinen, die SPD könne allenfalls einen Bewerber für das Amt des Vizekanzlers benennen.
Das Zaudern ist ein Blasebalg, der das Feuer in der Gerüchteküche am Brodeln hält. Und Gerüchte haben meist keinen guten Geruch. Sehr fein: Mal zieht sich Parteichef Gabriel zurück, dann machen die Stones unter sich aus, wer die erste Geige spielt, dann wieder heißt es, Steinbrück lasse echte Ambitionen erkennen, Steinmeier hingegen wolle nicht antreten.
Steinbrück wäre in jedem Fall der bessere Vize von Angela Merkel. Dass die beiden miteinander können, haben sie bewiesen. Ist der frühere Bundesfinanzminister auch der bessere Kandidat für die Wähler? Für einen Großteil der sozialdemokratischen Basis sicher nicht. Namen und Wirken von Steinbrück/Steinmeier sind eng mit der "Agenda 2010" verbunden. Deren Ergebnisse kann man zwar schönreden. Schön werden sie dadurch noch lange nicht. Nur zwei Beispiele: Das Problem der Altersarmut gäbe es so nicht, wenn das Kabinett Schröder/Fischer nicht Leiharbeit und Niedriglohn Tür und Tor geöffnet hätten. Der Markt, das unbekannte Wesen, hätte nie eine so uneingeschränkte Deutungshoheit über die Wirtschaft, die plötzlich Realwirtschaft genannt wurde, erlangt, hätten die Agenda-Protagonisten nicht fast alle Schlagbäume niedergerissen.
Die SPD muss sich rasch erklären. Dabei wird wohl alles auf Steinbrück hinauslaufen. Damit ist eine abermalige Große Koalition programmiert. Mit einer Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de