Kommentare

Zwischenruf Herausforderung an den Westen

Von Manfred Bleskin

Natürlich ist die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit , kurz SCO, keine NATO, wie allenthalben aus dem Tagungsort ihres Gipfels, dem kirgisischen Bischkek, auf westliche Vorwürfe zu hören ist, man wolle mit der 2001 gegründeten Organisation ein Gegengewicht zur Atlantischen Allianz schaffen.

Stimmt. Aber sie kann es werden. Und mittelfristig mehr als das. In den SCO-Staaten China, Russland, Kirgistan, Tadschikistan, Kasachstan und Usbekistan lebt rund ein Drittel der Erdbevölkerung. Die Länder verfügen zumeist über unermessliche strategische Ressourcen. Im Unterschied zur NATO erstreckt sich die SCO auch auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zwar ist zwischen Moskau und Peking auf ökonomischem Gebiet nicht alles eitel Sonnenschein. Aber im Unterschied zu den NATO-Staaten gibt es in Gestalt der EU und der Amerikanischen Freihandelszone ACLA keine institutionalisierten Strukturen, die sich in einem permanenten Handelskrieg befinden.

Der Iran, der neben Indien, Pakistan und der Mongolei Beobachterstatus besitzt, will Vollmitglied werden. Dies würde die wirtschaftliche Bedeutung der Organisation noch einmal potenzieren, die Organisation geografisch bedeutend erweitern und unmittelbar US-amerikanische Interessenssphären im Mittleren Osten tangieren. Zwar gibt es Vorbehalte aus Peking, um die Beziehungen zu Washington nicht noch mehr zu belasten, aber das muss ja nicht so bleiben.

Die Atomwaffen besitzenden Beobachter Indien und Pakistan werden sich kaum in die militärische Strukturen der SCO integrieren. Indien wegen seiner privilegierten Nuklearbeziehungen zu den Vereinigten Staaten, Pakistan, weil es mit Blick auf die Taliban sicherheitspolitisch hochgradig von den USA abhängt. Aber auch so repräsentiert die SCO zwei der mächtigsten Atommächte. Mit dem heutigen Freitag gehen SCO-Manöver zu Ende, die auf die Terrorismusbekämpfung zielen. So der offizielle Tenor. Das mag, glauben wer will. An der Übung mit dem hochtrabenden Namen "Friedensmission 2007" sind insgesamt 6.000 Mann beteiligt, neben Angehörigen der russischen und der chinesischen Armee auch kasachische, tadschikische, kirgisische und usbekische Einheiten. Bei einigen davon handelt es sich tatsächlich um Spezialeinsatzkräfte. Und so wird auch die Befriedung eins von Terroristen besetzten Dorfs geübt. Doch hauptsächlich geht es da im Raum Tscheljabinsk um den Test, Panzer, Flugzeuge und Artillerie, mithin schwere Technik zusammenwirken. Panzer und großkalibrige Artillerie gegen Terroristen, die nach dem "hit and run"-Prinzip agieren?

Der von den SCO-Mitgliedsstaaten unterzeichnete "Vertrag über langfristige, gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit" bildet die Grundlage für eine noch engere Kooperation. Was zu erwarten ist, zeigt der Vorschlag von Russlands Präsident Wladimir Putin, ein spezielles Gremium für eine gemeinsame Energiepolitik zu schaffen. Sein Angebot Afghanistan mit Finanzspritzen zu unterstützen legt die Vermutung nahe, dass sich Moskau nicht von alten geostrategischen Träumen am Hindukusch verabschiedet hat. Das Ziel, einen "cordon sanitaire" gegen den Drogenhandel um Afghanistan zu legen hebt weniger auf den Kampf gegen die afghanische Narkomafia denn vielmehr darauf ab, die Kämpfe nicht auf russisches Interessengebiet in den früheren zentralasiatischen Sowjetrepubliken übergreifen zu lassen.

Mit dem Bischkek-Gipfel und den Tscheljabinsk-Manövern ist für den Westen eine neue Herausforderung entstanden. Noch ist nicht erkennbar, wie er darauf reagieren will.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen