Kommentare

Zwischenruf Hunger und das Pfeifen im Walde

Ägypten, Äthiopien, Bangladesh, Burkina Faso, Cte d’Ivoire, Madagaskar, Mauretanien, Kamerun, Indonesien, Philippinen, Senegal, Tunesien. Und nun Haiti. In der Dritten Welt ist eine Hungerrevolte ausgebrochen. Spontan, unkoordiniert, voller Hass und Gewalt: Erst kommt das Fressen und dann die Moral.

Die Ursachen sind zum Teil hausgemacht: Korruption der herrschenden "Eliten", die Entwicklungshilfegelder in den eigenen Taschen verschwinden lassen, falsche Entwicklungskonzepte, welche die Agrarproduktion vernachlässigen.

Die Hauptgründe aber sind globaler Natur: Missernten werden vielfach durch die Auswirkungen des Klimawandels hervorgerufen. Die großen Industrienationen, namentlich die USA, aber auch Russland, China und Indien, sind nicht bereit, den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu senken. Der so genannte Emissionshandel ist ein Riesenschacher, der die armen Länder zwingt, die Zukunft ihrer natürlichen Umwelt auf dem Altar des Mammons der Reichen dieser Welt zu opfern.

Die ungleichen Austauschbedingungen tun ein Übriges. Trotz tendenziell steigender Rohstoffpreise wird das große Geschäft immer noch mit den Fertigprodukten gemacht, die in den entwickelten Staaten aus den Ressourcen der Dritten Welt gefertigt werden. Der Versuch der Industrienationen aus der Treibstofffalle herauszukommen hat erst wieder zu absurden Beschlüssen der EU-Umweltminister vom Wochenende im slowenischen Brdo geführt. Trotz der weltweit steigenden Nahrungsmittelpreise halten 27 Demokratien daran fest, anderen Völkern die Lebensgrundlage zu beschneiden. Der Anteil an Biosprit am Kraftstoffverbrauch soll auf zehn Prozent steigen. Für den Anbau von Biosprit-Rohstoffen dürfe aber kein Wald gerodet und kein Moor trocken gelegt werden. Das ist ein Feigenblatt. Wer will kontrollieren, wer wo in Brasilien – zum Beispiel – den Regenwald niedermacht, um schnelles Geld zu verdienen?

Der Aufschrei, der jetzt vom Internationalen Währungsfonds zu hören ist, mutet an wie das Pfeifen im Walde. Der IWF hat Furcht vor einer Entwicklung, die die Organisation zum Großteil selbst zu verantworten hat. Der Fonds war eines der Instrumente, den Entwicklungsländern Haushaltskonsolidierungskonzepte aufzuzwingen, die den Menschen unermessliches Elend brachten. Sollte es der jetzige Direktor Dominique Strauss-Kahn wirklich ernst meinen, wäre dies eine Revolution. Aber der französische Sozialist kann auch nicht mehr machen als ihm die Mitglieder des IWF Spielraum lassen. Die Stimmrechte bemessen sich nicht nach dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten, sondern an den Finanzmitteln, die ein Land einbringt. Und da haben die Vereinigten Staaten die Nase vorn.

Wollten die Industrienationen den Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas vor dem Hungertod bewahren, sollten sie die milliardenschweren Subventionen für den heimischen Agrarsektor aufheben. Alles andere ist weiße Salbe. Der Handlungsbedarf ist dringend. Die Alternative heißt Apokalypse.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen