Zwischenruf Hut ab, Herr Wulff!
12.04.2013, 14:53 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Christian Wulff will seine Ehre wiederherstellen. Das Angebot des Landgerichts Hannover, einen Deal einzugehen, ist eigentlich eine Beleidigung für Wulff - als Mensch und als einstiger Bundespräsident. Deshalb ist sein Nein die einzig mögliche Antwort.
Es ist richtig, dass Christian Wulff das Angebot der Hannoveraner Landgerichts ablehnt. Verständigungen im Strafverfahren, gemeinhin Deals genannt, sind eine juristisch umstrittene Rechtspraxis, die von Rechtswissenschaftlern immer wieder kritisiert wird. Überhaupt: Wie gerecht geht es zu, wenn sich ein Beschuldigter seine Strafe selbst aussuchen kann? Nicht jeder hätte 20.000 Euro im Sparstrumpf, um einem Verfahren zu entgehen. Werden Habenichtse verurteilt? Die was haben, aber nicht? Ist die Wahrheit – und um nichts anderes geht es ja aus der Sicht des Hannoveraner Landgerichts – zur Ware geworden?
Wäre der ehemalige Bundespräsident auf die Offerte eingegangen, hätte er das höchste Amt im Staate noch mehr beschädigt als dies ohnehin schon der Fall ist. Wulff will seine Ehre wiederhaben. Das ist menschlich nachvollziehbar. Zu viel ist ihm im Zuge der Affäre abhandengekommen: Familie, Amt, Freunde. Ehre ist kein überkommener, konservativer Wert. Ehre hat etwas mit Selbstwertgefühl zu tun, und mit Anstand, mit Achtung vor dem Nächsten. Doch in Zeiten maßloser Bereicherung, Zeiten, in denen der Victory-Gruß eines Bankmanagers zum Markenzeichen wird, in denen der Lobbykrake seine Tentakeln über Brüssel und Berlin ausstreckt, werden Gefälligkeiten monetärer oder anderer Form nicht einmal mehr als Kavaliersdelikt betrachtet. 'Mer kennt sich, mer hilft sich', soll schon der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer als Kölner Oberbürgermeister gesagt haben.
Christian Wulff hat eine harte Jugend hinter sich. Es ist nachvollziehbar, dass er nach höheren Weihen strebte. Dabei hat er sich von allem gefangen nehmen lassen, was in bestimmten Kreisen gang und gäbe zu sein scheint. Christian Wulff ist ein Kind seiner Zeit. Wenn er jetzt konsequent ist, sollte das alle Welt respektieren. Ein früheres Staatsoberhaupt dealt nicht mit der Justiz. Chapeau, Herr Wulff!
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstad tstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de