Zwischenruf Industrien schützen?
05.07.2007, 13:30 UhrVon Manfred Bleskin
Der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Peer Steinbrück zentrale Industrien vor der Übernahme durch ausländische Staatsfonds oder private Kapitalgeber zu schützen, zielt in die richtige Richtung. Allein: Das Ganze kommt aber zu spät und hat darüber hinaus einen doppelten Boden.
Der Sozialdemokrat will deutsche Unternehmen in Telekommunikation, Banken, Post, Logistik und Energie vor der Kontrolle durch ausländische Staatsfonds oder Privatunternehmen schützen. Gerade die Telekommunikation, die Post und die Energiewirtschaft sind strategischer Natur und in gewisser Weise sogar Teil der nationalen Souveränität. Doch da hat der Bund mit seiner Privatisierungspolitik längst die Kontrolle aufgegeben oder ist auf dem besten Wege dahin.
Das Kapital vertritt stets nur seine eigenen Interessen und nicht die des jeweiligen Staates. Obwohl das Grundgesetzt dazu verpflichtet. Fallen die Interessen zusammen, dann ist es gut für den Staat. Wenn nicht, haben der und seine Bürger das Nachsehen. Wer profitiert - zum Beispiel - von der Übernahme der US-Mobilfunkfirmen Voicestream und Powerte durch die Deutsche Telekom? Zwar ist die heutige T-Mobile USA mittlerweile profitabel. Doch die 50.000 Mitarbeiter der Telekom, die seit Monatsbeginn in Servicegesellschaften länger arbeiten und in der Tendenz weniger verdienen, haben herzlich wenig davon.
Der Bund hat sich in strategischen Wirtschaftssektoren selbst überflüssig gemacht. Eigentlich sind diese dazu bestimmt, den anderen Bereichen ihre Wirtschaftstätigkeit überhaupt erst zu ermöglichen, zu garantieren, dass diese Profit erwirtschaften, an dem auch der Lohnabhängige teilhat. Sie bilden das Rückgrat der gesamten übrigen Ökonomie und müssen nicht notwendigerweise nach Profit streben. Gibt's Probleme, ist der Staat in der Verantwortung. Werden sie aber aus staatlicher Verantwortung entlassen, bleibt ihnen um den Preis des Überlebens gar nicht anderes übrig als profitabel zu sein. Von den Problemen können die Mitarbeiter von Telekom, Post und Bahn ein Lied singen.
Wenn Steinbrück nun einen Schutzschild vor strategische Unternehmen halten will, schützt er wegen der Eigentumsverhältnisse nur noch bedingt die eigenen, will sagen staatlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Die internationalen Verflechtungen sind längst unübersichtlich geworden. Wer etwas dagegen unternehmen will, fällt auf die Nase. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem Vorstoß gegen die Hedgefonds auf dem G8-Gipfel von Heiligendamm, der am Widerstand von US-Präsident George W. Bush und Britanniens Ex-Premierminister Tony Blair scheiterte.
Doch der Bundeswirtschaftsminister will nicht nur "deutsche" Unternehmen schützen, er will ihnen gleichzeitig auch bei der grenzüberschreitenden Expansion unter die Arme greifen. Mit anderen Worten: Die Telekom soll sich ein ausländisches Telekommunikationsunternehmen einkaufen können, umgekehrt soll das nicht mehr möglich sein. Diese Gefahr haben Länder wie Frankreich, Spanien und selbst die USA erkannt. Wirtschaftsnationalismus ist dort an der Tagesordnung, der Globalisierung werden Grenzen gesetzt. Aktive Industriepolitik gilt im Unterschied zu Deutschland nicht als ehrenrührig. Da ist es schwieriger geworden, in Unternehmen hineinzukommen. Es sei denn, die Post strebt in Frankreich das Monopol in der Herstellung von Stecknadeln an. Was dem einen aber Recht sein will, muss dem anderen eigentlich billig sein dürfen. Da werden ganz sicher noch die Fetzen fliegen.
Vielleicht aber hat Peer Steinbrück ja auch nur im Sinn, die erwähnten Bereiche vor dem Zugriff russischen und chinesischen Kapitals zu schützen. Dann aber wären Feindbilder aus Kaltkriegszeiten wiedererrichtet. Mit dem einzigen Unterschied, dass jetzt auf beiden Seiten Kapitalisten sitzen. Bei Lichte besehen schlagen heuer zwei Prozesse auf ihre Urheber zurück: Die Globalisierung stranguliert die Globalisierer und die Demokratisierung bringt die Demokraten in Bedrängnis. Da wird auch ein neues Gesetz wenig helfen.
Quelle: ntv.de