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Acht Tote Israel zeigt Fehlschuss im Netz

Die israelische Drohne über dem Gazastreifen beobachtet minutenlang, wie mehrere Männer Rohre auf einen Lastwagen heben. Immer wieder laufen sie in ein Gebäude und kehren mit länglichen Rohren zurück. Die Kamera der Drohne macht Nahaufnahmen und zieht immer wieder das Objektiv auf. Abwechseln ist das Bild scharf und verpixelt. Man sieht ein Wohngebiet, dann wieder die schwarz-weißen Figuren mit den Rohren.

Das Fadenkreuz richtet sich in dem Augenblick auf den Lastwagen, in dem einer der Männer einsteigen und losfahren will. Jetzt, nach genau zwei Minuten und zehn Sekunden, kommt das erwartete Ende: eine Explosion und eine riesige Rauchwolke, die die ganze Szene verhüllt. Es bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen, sich vorzustellen, was mit all den Figuren passiert ist, die da eben noch geschäftig umherliefen.

Dieser Film, der am 29. Dezember über Gaza-Stadt aufgenommen worden sein soll, wurde zusammen mit ähnlichen Streifen vom israelischen Militärsprecher bei Youtube hochgeladen. Zunächst erhielt das Filmchen im eigenen "Kanal" des Militärsprechers bei Youtube, "idfnadesk", keine besondere Beachtung - bis Youtube ihn wieder aus dem Netz nahm. Der Film sei "nicht angemessen", erklärten die Betreiber. Offensichtlich gab es Proteste von arabischer Seite. Doch echte Zensur ist heutzutage im weltweiten Netz kaum mehr möglich. Der rechtsgerichtete israelische Fernsehsender Arutz 7 veröffentlichte den Film der Luftwaffe prompt auf seiner eigenen Website. Auch der Militärsprecher sorgte auf seiner Internetseite dafür, dass der Film zugänglich blieb.

Am Mittwochabend verschickte die israelische Menschenrechtsorganisation B'Tselem eine empörte E-Mail an die Medien. Da seien keine Raketen verladen worden, sondern Sauerstoffflaschen, wie man sie in Krankenhäusern und zum Schweißen verwende. Ahmad Sanur habe sich bei der Organisation gemeldet. Er sei der Besitzer des zerstörten Lastwagens und habe in der Salah a-Din Straße harmlose Sauerstoffflaschen verladen und keineswegs Grad-Raketen, wie der Militärsprecher behaupte.

Weiter sagt Sanur, dass er Material und Werkzeug aus seiner Metallwerkstatt in Sicherheit bringen wollte, damit es nicht von Plünderern gestohlen werde, nachdem ein benachbartes Haus von den Israelis bombardiert worden sei. Sanur dementierte jegliche Verbindung mit "Militanten"; er verübe keinerlei "militärische Aktivitäten", womit wohl die Herstellung von Kassam- und Grad-Raketen gemeint ist. In der Mail werden auch die Namen von acht getöteten Palästinensern erwähnt, darunter der 32 Jahre alte Sohn von Sanur. Zwei der Todesopfer seien 14, einer sei 15, ein weiterer 17 Jahre alt gewesen. Zwei Brüder im Alter von 16 und 19 seien schwer verletzt worden.

B'Tselem hat im Internet Fotos des ausgebrannten Lastwagens veröffentlicht, vom Besitzer der Werkstatt und einer nicht verbrannten Sauerstoffflasche mit der hebräischen Aufschrift "Eigentum (von) Maksima". Das ist eine israelische Firma in Ramat Chovav, einem Industriegebiet in der Negevwüste. Maksima stellt industrielle Gase her.

Unser zunächst hier geäußerter Verdacht, es könne sich nicht um Grad-Raketen handeln, weil in dem Film deutlich zu sehen ist, wie die Rohre auf dem Lastwagen hin und her rollen, ist nicht haltbar. Zwar haben Grad-Raketen Flügel, die sie während des Flugs stabilisieren. Doch werden diese erst nach dem Abschuss ausgeklappt. Eine Grad-Rakete könnte also durchaus frei auf einer Ladefläche rollen, ohne von Flügeln behindert zu werden.

Ein Leser weist uns allerdings darauf hin, dass Grad-Raketen zu lang sind, um - wie auf dem Video der israelischen Armee - quer auf einen Lastwagen zu passen. Diese Raketen sind zwischen 2,87 und 3,226 Meter lang, heißt es auf der Website von Jane's Information Group, einem in London ansässigen Militärverlag. Damit dürften die Raketen breiter sein als die Ladefläche eines kleinen Lastwagens. Ein Ford-Pritschenwagen beispielsweise hat eine 2,00 Meter breite Ladefläche.

Der Nahe Osten ist sein Metier. Ulrich W. Sahm berichtet seit Mitte der 70er Jahre aus der Region immer auf der Suche nach der Geschichte hinter der Nachricht.

Quelle: ntv.de

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