Zwischenruf Jemen: Mittelalter gegen Diktatur
26.05.2011, 16:22 UhrIm Jemen ist der Bürgerkrieg ausgebrochen, weil Präsident Saleh alle Vermittlungsversuche ausgeschlagen hat. Aber er wird einlenken müssen. Wenn nicht, könnte die Lage weiter eskalieren - und dann wird Saudi-Arabien vermutlich einschreiten.
Die Protagonisten der innenpolitischen Krise im Jemen haben den Rubikon überschritten. Der Bürgerkrieg, vor dem Präsident Ali Abdullah Saleh immer wieder gewarnt hatte, ist ausgebrochen. Mit dem Unterschied, dass der Machthaber ihn selbst vom Zaune gebrochen hat. Mit der Ablehnung des Vermittlungsvorschlags der Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrate und dem Überfall auf den Sitz von Scheich Sadik al-Ahmar in der Hauptstadt Sanaa ist der Machtkampf im ärmsten arabischen Land in seine heiße, militärische Phase getreten. Al-Ahmar ist immerhin der "Scheich der Scheichs" im Lande und Vorsitzender des Stammesrates, der bislang zu Saleh stand. Zugleich ist er Anführer des mächtigen Stammes der Haschid. Wenngleich sich nicht alle Stämme von Saleh abgewandt haben, bröckelt mit der Dissidenz der Haschid die zweite wichtige Säule der Macht des Regimes. Nachdem sich mehrere hochrangige Offiziere von Saleh abgewandt hatten, ist für ihn auch die Armee kein festes Standbein mehr. Sicher verlassen kann sich Saleh offenbar nur noch auf die Eliteeinheiten der Republikanischen Garde.
Die Crux der Saleh-Gegner ist ihre Zersplitterung. Die zivile Opposition hat bislang keinen Schulterschluss mit den rebellierenden tribalen Strukturen einschließlich der zaiditisch-schiitischen Houthi im Norden vollzogen. Gleiches gilt für die sozialistischen Separatisten des Südens. Hinzu kommt die Terrorgruppe al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel. Bislang stellte das Saleh-Regime für die Vereinigten Staaten eine verlässliche Stütze im Kampf gegen die Bande dar.
Saudi-Arabien wird nicht zögern
Saleh wir nichts anderes übrig bleiben, als die Macht "à l’Égypt" wie im Friedensplan des Golfkooperationsrats vorgesehen, an Vizepräsident Abdrabuh Mansur Hadi zu übergeben, der sich seinerseits auf das Militär stützen wird.
Eine militärische Intervention Washingtons ist unwahrscheinlich und würde auf Dauer auch die Kapazitäten der US-Streitkräfte übersteigen. Saudi-Arabien wird im Falle einer weiteren Eskalation nicht zögern, wie dies ja schon in früheren Jahren im Kampf gegen die Houthi und bei der Niederschlagung des schiitischen Aufstands in Bahrein der Fall war. Die Entwicklung im Jemen zeigt, dass die Rebellionen im arabischen Raum keineswegs nur von demokratischen Kräften getragen werden. Im Süden Arabiens zumindest steht das Mittelalter gegen die Diktatur.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de