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Zwischenruf Kampf um die Macht geht weiter

Nach dem Tod von Präsident Chávez steht das südamerikanische Land erneut vor einer Kraftprobe zwischen linker Mehrheit und Opposition. Wenngleich die Linke die nun anstehende Neuwahl eines Staatsoberhauptes gewinnen dürfte, wird die Opposition mit Unterstützung der USA weiter für einen Machtwechsel kämpfen.

Eine Chávez-Anhängerin trauert um den Präsidenten.

Eine Chávez-Anhängerin trauert um den Präsidenten.

(Foto: dpa)

Der Tod von Präsident Hugo Chávez stellt Venezuela auf eine harte Probe. Mit dem "Comandante" waren Hoffnungen auf eine weitere Verbesserung der sozialen Lage verbunden, denen sein Nachfolger – gleich welcher Couleur – gerecht werden muss. Chávez verkörperte den Wunsch der Mehrheit des Volkes des erdölreichen Landes nach Überwindung von Ausbeutung und Armut.

In den 14 Jahren seiner Präsidentschaft gelang es, den Reichtum aus der Erdölförderung zugunsten der Bedürftigen umzuverteilen, ein Reichtum, der zuvor ausländischen Konzernen und der einheimischen Oligarchie zugutekam. "Früher profitierten 20 Familien, heute sind es hunderttausende", so eine Frau in einem der besseren Viertel von Caracas gegenüber n-tv.de. Ihr wäre es schon immer gut gegangen, da sei es nur gerecht, wenn die anderen jetzt auch etwas vom Kuchen abbekämen. Diese Meinung ist bei weitem nicht repräsentativ für die Ober- und Mittelschicht, die wie kaum eine andere in Lateinamerika geistig und konsumtiv mit den USA verbunden ist.

Verlust einer Symbolfigur

Die Obama-Administration hofft bei den Präsidentenwahlen in 30 Tagen auf einen Machtwechsel: Chávez war nicht nur ein venezolanischer Politiker. Der 58-Jährige stand im Sinne von Simón Bolívar, dem Führer der Unabhängigkeitskriege gegen Spanien, an der Spitze einer lateinamerikanischen Integrationsbewegung, die auf die Überwindung der Abhängigkeit vom Norden gerichtet ist. Chávez Tod bedeutet für Länder wie Bolivien, Ecuador, Nicaragua und andere den Verlust einer Symbolfigur, die sich mit ihrem Charisma gegen die Gegner des subkontinentalen Bolivarismus durchzusetzen verstand. Kuba genießt den Vorteil günstiger Öllieferungen, deren Einstellung einen herben Rückschlag für den Kurs auf wirtschaftliche Konsolidierung bedeuten würde. Kolumbiens konservativer Präsident Juan Manuel Santos würdigte den entscheidenden Beitrag, den Chávez bei den Friedensgesprächen mit der kommunistischen FARC-Guerilla gespielt hat. Es muss sich zeigen, ob der Nachfolger von Chávez dieser schwierigen Herausforderung gerecht wird.

Ton wird sich verschärfen

Die Ausweisung des US-Luftwaffenattachés mit der Begründung, er habe versucht, mit Armeekreisen zu konspirieren, lässt eine weitere Verschärfung des Tons zwischen Caracas und Washington erwarten. Wenngleich es für den Vorwurf keine Bestätigung von unabhängiger Seite gibt, so ist belegt, dass es am Vorabend des antichavistischen Putschversuchs 2002 Kontakte der Opposition mit der Botschaft der USA gab. Armeechef Diego Molero ermahnte die Bevölkerung zur Ruhe und versicherte die Staatsführung ihrer Loyalität bei der "Fortsetzung der bolivarischen Revolution". Die sozialistische Regierungspartei PSUV rief ihre Anhänger, unterstützt von der verbündeten KP, auf, sich landesweit auf allen Plätzen mit dem Namen Bolívars zu versammeln und so ihre Solidarität mit der Regierung zu bekunden.

Es darf als sicher gelten, dass das linke Lager die Wahlen für das Amt des Staatsoberhaupts für sich entscheidet und dabei auch von der zeitlichen Nähe des Ablebens von Chávez profitiert. Auch spielt in dem mehrheitlich katholischen Land eine Rolle, dass Chávez tiefgläubig war. Auf sein Betreiben wurde in die neue, bolivarische Verfassung sogar ein Gottesbezug aufgenommen. Doch die Opposition wird mit Unterstützung der USA ihre Anstrengungen für einen mittelfristigen Wechsel verstärken. Der Kampf um die Macht in Venezuela ist noch nicht entschieden.

Manfred Bleskin.JPG

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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