Zwischenruf Karstadt oder: Der Jubelperser
11.06.2009, 07:47 UhrArcandor ist pleite. Der Insolvenzantrag ist gestellt. Aber warum springt die Bundesregierung für Opel ein und zeigt Karstadt die kalte Schulter? Der Grund ist der Export, meint Manfred Bleskin.
"Jubelangebote für alle" lautete vor gar nicht so langer Zeit ein Werbespot des Hauses Karstadt. Den 43.000 Beschäftigten wird das wie Hohn in den Ohren klingen. Aber der Spot wird nicht mehr ausgestrahlt, und die Angestellten sehen einer gar nicht so strahlenden Zukunft entgegen.
Sie wurden im Stich gelassen. Von den Anteilseignern wie vom Staat. Letzterer verweigert dem Warenhauskonzern die Bundesbeihilfen, die Mehrheitseigentümer Madeleine Schickedanz und das Bankhaus Sal. Oppenheim bleiben lieber auf ihrem Geldsack sitzen.
Warum die Bundesregierung für Opel und die Commerzbank einspringt, Karstadt aber die kalte Schulter zeigt, wird wohl nie bekannt, weil es hierzulande keine Fristen für Aktenöffnung gibt wie – zum Beispiel – in den USA. Das Argument, nur Opfer der Finanzkrise bekämen etwas, überzeugt nicht. Denn weder Opels Trouble noch jener der Commerzbank sind ausschließlich auf verantwortungslose Spekulationen zurückzuführen. Dummes Zeug jedenfalls, wenn eine "tageszeitung" meint, Bundeskanzlerin Angela Merkel wie Gewerkschaften wären aus Wahlkalkül mehr an der Rettung von Männerarbeitsplätzen interessiert. Maskuline Voten sind seit in diesem Land seit dem 12. November 1918 ebensoviel wert wie feminine.
Opel aber bietet dem kriselnden deutschen Export dank seiner weltweiten Fama mehr Chancen als die binnenmarktorientierte Warenhauskette. In den einschlägigen Regierungsstellen hat offensichtlich immer noch keiner so richtig begriffen, dass Keynes und nicht Friedman gefragt ist. Ohne eine durchgreifende Steigerung der Inlandsnachfrage sind alle Schutzschirme nutzlos. Autos kaufen keine Autos, wusste schon Henry Ford selig. Da nützt auch die Abwrackprämie nichts.
Erschreckend am Ende von Karstadt ist, dass wieder einmal eine mutmaßlich kriminelle Energie hinter der Pleite heraufdräut. Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff soll Anteile an Immobilienfonds halten, die Karstadt für seine – ungewöhnlich? – hohen Gebäudemieten zahlen muss. Die Mieten sind wesentliche Ursachen des Desasters. Das muss ein Jubelangebot gewesen sein. Nicht für alle, aber für Master Middelhoff.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de