Zwischenruf Keine Lösung für Nahost
27.01.2008, 20:52 UhrDer israelisch-palästinensische Konflikt steht wieder einmal da, wo er bei Lichte besehen, von Anfang an stand: in der Sackgasse. Mit dem Grenzdurchbruch an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist die Ausweglosigkeit nur noch größer geworden.
Schlimm ist: Keiner der Kontrahenten verfügt über ein Lösungskonzept, das in seiner Ganzheit für die jeweils andere Seite annehmbar wäre. Noch schlimmer ist, dass mit der Hamas in Gaza ein dritter Pol entstanden ist, der mögliche Teilübereinkünfte zwischen Israel und der Autonomiebehörde im Westjordanland mir nichts, dir nichts torpedieren kann.
Israels Premierminister Ehud Olmert hat sich nun schon zum zweiten Mal gründlich vergaloppiert. Schon die Invasion im Libanon war ein Desaster. Und nun die völlige Blockade des Gazastreifens, wo 1,5 Millionen Menschen ohnehin schon in prekären Verhältnissen leben. Wenn die Regierung in Jerusalem geglaubt hatte, die Hamas so in die Knie zwingen zu können, kennt den Fanatismus der Radikalsunniten schlecht. Eigentlich müsste sie wissen, mit wem sie es zu tun hat: Schließlich entstand die Bewegung wenn nicht mit Unterstützung, so doch zumindest mit wohlwollender Inkaufnahme Israels während der ersten Intifada zwischen 1987 und 1991. Zu jener Zeit galt die Hamas als Kontrapunkt zur damals noch weitgehend laizistischen, vor allem aber als links geltenden PLO. Nun fällt die Hamas Israel donnernd auf die Füße.
Sollte Israel auf einen Aufstand der unzufriedenen Massen gegen die Hamas gesetzt haben, so ist auch dies eine Fehlkalkulation: Keine der anderen palästinensischen Partei verfügt im Gazastreifen über Strukturen, die hinreichend wären, die Not der Menschen in politische Bahnen zu lenken. Religiöse Führer, die sich an die Spitze eines Hungermarsches stellen könnten, gibt es nicht.
Stattdessen hat die Hamas mit dem Grenzdurchbruch selbst einen solchen Marsch in Szene gesetzt. Sicher nicht ohne Wissen Israels. Niemand vermag zu glauben, dass die tagelangen Vorbereitungen an der Stahlmauer dem allgegenwärtigen Mossad oder den alles sehenden Weltraumaugen der US-Geheimdienste entgangen wären. Einen Teilerfolg haben Olmert und seine Vertrauten zweifellos erzielt: Sie haben Ägypten einen schwarzen Gaza-Peter zugeschoben. Doch das löst das Problem nicht. Präsident Hosni Mubarak fürchtet sich – zurecht – vor einer Bündelung der Kräfte der Hamas und der Moslembrüder im eigenen Land. Eine offene, unkontrollierte Grenze auf dem Sinai führt über kurz oder lang zu Konflikten in Ägypten selbst. Und was, wenn die Hamas auf den Dreh kommt und morgen einige Hunderttausend an die Grenzen zu Israel dirigiert?
Mit militärischen Mittel ist das Problem nicht zu lösen. Die wiederholten israelischen Luftangriffe auf Gaza nach wiederholten Kassam-Raketen-Angriffe der Hamas haben nichts gebracht. Da mögen sich Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas noch so viel treffen wie heute in Jerusalem, sie machen die Rechnung ohne den Wirt. Mehr übel als wohl ist ein politisches Finale ohne die Putschisten von Gaza unmöglich geworden. Wie auch immer die Lösung aussieht, gewonnen hat am Ende die Hamas.
Das aber macht einen Ausweg aus der Sackgasse des Konfliktbündels Israel-Palästina nicht leichter. Der Frieden, den US-Präsident George W. Bush bei seinem Besuch in der Region bis zum Jahresende versprochen hatte, wird noch längere Zeit auf sich warten lassen.
Quelle: ntv.de