Zwischenruf Klare Fronten sind gefragt
17.05.2011, 14:00 Uhr
(Foto: dpa)
Das Aufbruchssignal des Dresdener SPD-Parteitags hat nicht gewirkt. Die Sozialdemokraten dümpeln bei Umfragen um die 25 Prozent herum. Eine Diskussion um die K-Frage zum jetzigen Zeitpunkt ist das Letzte, was die Partei gebrauchen kann.
Auch wenn der Parteivorsitzender Sigmar Gabriel versucht, die Wogen zu glätten: Die wabbelige Antwort Peer Steinbrücks auf die Frage nach seiner möglichen Kandidatur für das Amt des Bundeskanzlers ist zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden. Der Mann, der sonst so präzise mit Zahlen und Begriffen umgehen kann, hat mit seiner faktischen, wie Generalsekretärin Andrea Nahles formulierte, Selbstausrufung Pflöcke eingeschlagen, über die seine Partei stolpern könnte. Die Frage ist: Geht die SPD mit einem Mann wie Steinbrück oder Olaf Scholz nebst dazugehörigem Für-jeden-etwas-Programm ins Rennen oder besinnt sie sich auf die sozialökologische Botschaft der Gabriel-Rede auf dem Dresdener Messegelände? Wenn sie sich für Letzteres entscheidet, kommen nur der Parteichef selbst oder Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit als Spitzenkandidaten in Frage, gesetzt den Fall, die hauptstädtische SPD landet bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September nicht hinter Renate Künasts Grünen.
Das Argument, Wahlen könnten nur "in der Mitte" gewonnen werden, ist Quatsch. Es gibt keine Mitte der Gesellschaft, jedenfalls nicht im Sinne einer sozial und materiell homogenen Schicht. Die Sozialdemokraten müssen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, und das heißt soziale Gerechtigkeit. Dies schließt den ökologischen Umbau der Wirtschaft ein. Wenn man einen bundesweiten Mindestlohn fordert, kann man nicht gleichzeitig die desaströse Agenda 2010 schönreden. Wer eine Quotenregelung bei Funktionären mit Migrationshintergrund anstrebt, kann keinen Thilo Sarrazin in seinen Reihen dulden. Klare Fronten sind gefragt, kein Wischiwaschi. Wer Steinbrück und sein Denkgerüst in die Bütt schickt, landet wieder in der Großen Koalition. Wer es jedem Recht machen will, wird beliebig und landet in der Bedeutungslosigkeit.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de