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Maßnahmen gegen lange Wartezeiten beim Arzt Koalition unterläuft Behandlungsfehler

Warten ist alltäglich: Einer Erhebung der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge fehlen in Deutschland 2600 Hausarzt- und 2000 Facharztpraxen.

Warten ist alltäglich: Einer Erhebung der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge fehlen in Deutschland 2600 Hausarzt- und 2000 Facharztpraxen.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Die Bundesregierung will Patienten, die nicht binnen vier Wochen einen Termin beim Facharzt bekommen, ins Krankenhaus schicken. Zu Recht ertönt da Kritik vom Präsidenten der Bundesärztekammer.

Es sind Worte, die für viele Patienten gut klingen. Im Regierungsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: "Für gesetzlich Versicherte wollen wir die Wartezeit auf einen Arzttermin deutlich reduzieren." Die Große Koalition verspricht: Wer nicht binnen vier Wochen einen Termin bei einem Facharzt bekommt, kann sich auf Kosten der Kassenärztlichen Vereinigung in einem Krankenhaus behandeln lassen.

Ärztepräsident Montgomery: "Das halte ich für unsinnig".

Ärztepräsident Montgomery: "Das halte ich für unsinnig".

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Worte des Präsidenten der Bundesärztekammer dürften für viele Patienten weniger gut klingen. Frank Montgomery sagt: "Das halte ich für unsinnig."

Unsinnig? Ist es nicht ein Fakt, dass Privatpatienten in Deutschland eine bevorzugte Behandlung genießen, und ist es nicht eine Tatsache, dass die Wartezeiten für gesetzlich Versicherte teils untragbar lang sind? Allen Vorbehalten gegen Montgomerys Worte, allen Reflexen gegen den im Gesundheitswesen weit verbreiteten Lobbyismus zum Trotz: Der Ärztepräsident hat recht. Die Pläne der Großen Koalition sind unsinnig. Sie verschlimmern die Situation nur.

Krankenhäuser sind schon jetzt überlastet

Union und Sozialdemokraten treiben mit ihrer Regelung Patienten in die Krankenhäuser - auch die, bei denen kein dringender Behandlungsbedarf besteht. Die Kliniken sind aber schon jetzt längst überlastet. Ein Mehr an Patienten kann nur mit geringerer Qualität in der Behandlung einhergehen.

Montgomery schlägt daher ein Konzept der Express-Überweisungen vor: Hausärzte sollen entscheiden, wie dringlich ein Fall ist. Besteht sofortiger Handlungsbedarf, muss er ihnen einen schnellen Termin beim Facharzt besorgen. Weniger dringliche Fälle möchte er auf einer Warteliste sehen: "Wer ohne Überweisung seines Hausarztes einen Facharzttermin wünscht, muss unter Umständen etwas länger warten", sagt er. Mehrbelastungen für die Krankenhäuser verhindert er so.

Das Problem heißt Ärztemangel

Die Große Koalition sollte sich den Vorschlag Montgomerys genau anschauen. Verglichen mit der pauschalen Abschiebung der Patienten in Kliniken ist seine Express-Überweisung die bessere Methode. Doch auch Montgomerys Pläne können nur bedingt dazu beitragen, bei konstanter Qualität die Wartezeiten für den Großteil der Patienten spürbar zu verringern. Auf bevorzugte Behandlung kann schließlich nur der verhältnismäßig kleine Teil der Patienten mit dringlichen Leiden hoffen. Auch die Ungerechtigkeit zwischen privat und gesetzlich Versicherten hebt er nicht auf. Denn der Kern des Problems heißt: Ärztemangel.

Einer noch unveröffentlichten Erhebung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge, aus der die "Welt" zitiert, fehlen in Deutschland derzeit noch rund 2000 Facharztpraxen. In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die Bundesregierung immerhin, "unnötige bürokratische Anforderungen abzubauen und die Rahmenbedingungen für Zulassungen für Ärztinnen und Ärzte (…) zu flexibilisieren." Doch Bürokratieabbau allein wird kaum reichen. Schon in Ballungszentren müssen Patienten oft lange auf einen Termin warten, wirklich prekär ist die Situation auf dem Land. Schwarz-Rot steht vor der gewaltigen Aufgabe, dünn besiedelte Gebiete so attraktiv zu machen, dass junge und gut qualifizierte Mediziner bereit sind, sich dort niederzulassen. Erfolgsversprechende Lösungsvorschläge dafür gibt es leider weder von der Bundesregierung noch von der Bundesärztekammer.

Quelle: ntv.de

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