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Notlage-Plan für Haushalt 2024 Kriegsanleihen wären für die Ampel ein gefährlicher Weg

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Ob Bundeskanzler Scholz - hier vor einem Gepard-Luftabwehrpanzer stehend - auch 2024 die Notlage erklären will, ist unklar.

Ob Bundeskanzler Scholz - hier vor einem Gepard-Luftabwehrpanzer stehend - auch 2024 die Notlage erklären will, ist unklar.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mangels alternativer Finanzierungsideen für Klimaprojekte wollen SPD und Grüne den Ukraine-Krieg zur Begründung neuer Milliardenkredite heranziehen. Das ist verfassungsrechtlich riskant - und auch unklug. Die Ampel ist auf bestem Wege, ein Schlaglicht auf die eigene Planlosigkeit im Ringen mit Russland zu werfen.

Die Ampel ist weiter auf der Suche nach einer Lösung zur Aufstellung eines verfassungsgemäßen Haushalts 2024. SPD und Grüne fordern deshalb seit Tagen immer lauter, im kommenden Jahr erneut die Schuldenbremse auszusetzen. Die Notlage soll dieses Mal mit den Kosten des Ukraine-Krieges begründet werden. Nicht also mit den Auswirkungen des Krieges auf Preise und Versorgungssicherheit für Strom und Wärme, wie es die Koalition 2022 und 2023 beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds tat, sondern mit den Militärhilfen und Haushaltszuschüssen für die Ukraine sowie mit dem Bürgergeld, das rund eine Million ukrainischer Flüchtlinge derzeit beziehen. Die Bundesrepublik soll demnach Kredite aufnehmen, um seine mittelbare Kriegsbeteiligung und Solidarität mit den Opfern dieses Krieges zu finanzieren. Es wäre eine neue Art von Kriegsanleihen - und die Ampel schlüge damit einen höchst gefährlichen Kurs ein.

Das fängt schon damit an, dass die Bundesregierung eben keinen gesichert verfassungsmäßigen Weg beschreiten würde. Ob der seit nun bald zwei Jahren tobende Krieg sich ähnlich einer Naturkatastrophe der staatlichen Kontrolle entzieht, die Voraussetzung zur Aussetzung der Schuldenbremse, wäre nämlich zu diskutieren. Schwieriger aber noch: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss die Bundesregierung darlegen, ob die bisher zur Bekämpfung einer Notlage eingesetzten Instrumente zur Bekämpfung der Katastrophenfolgen geeignet sind - und zwar umso besser begründen, je länger der Beginn der Katastrophe her ist. Der russische Einmarsch ist bald zwei Jahre her - und hat mit der Krim-Annexion und dem Donbass-Krieg sieben Jahre Vorlauf.

Ukraine als Sündenbock für Haushaltskonflikt

Wenn schon nicht vor Gericht, so doch vor Parlament und Öffentlichkeit müsste die Regierung also detailliert darlegen, dass ihre bisherige Strategie das geeignetste Mittel zur Beilegung der Krise - das heißt zur Befriedung des Konflikts - ist. Unwahrscheinlich, dass sich Karlsruhe auf militärpolitische Debatten einlässt, aber eine mögliche Normenkontrollklage der Union würde zumindest zur Überprüfung führen, ob die Notlagen-Begründung formal den Vorgaben des jüngsten Urteils aus Karlsruhe standhält. Das sind nicht unerhebliche Unwägbarkeiten für eine Bundesregierung, die nach eigenem Bekunden doch vor allem einen ordentlichen Haushalt einbringen will, wenn auch denkbar spät.

Ferner stellt sich die Frage, ob auch legitim ist, was SPD und Grüne als legal einschätzen. Bis zum Schuldenbremsen-Urteil war die Koalition der Ansicht, ihre Unterstützung für die Ukraine und ihre nach Deutschland geflohenen Bürger aus dem regulären Haushalt finanzieren zu können. Nun, da dem Dreierbündnis eine noch vor der russischen Invasion vom damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz ersonnene Kreditumwidmung untersagt wurde und Vorhaben aus dem zusammengestrichenen Klimatransformationsfonds aus tatsächlich vorhandenem Geld bestritten werden müssen, soll Deutschland mit den Kriegslasten plötzlich überfordert sein?

Eher ist es doch so: Die Bundesregierung ist - ebenfalls durch Karlsruhe - zur Einhaltung der Klimaziele verpflichtet, kann die notwendigen Investitionen aber nicht aus den (Rekord-)Einnahmen bestreiten, weil sie nirgendwo anders in ihrem Riesenhaushalt substanzielle Abstriche machen kann oder will. Auch eine Reform der Schuldenbremse oder ein weiteres Sondervermögen sind ohne FDP und Union nicht drin. Also wollen SPD und Grüne erneut, aber diesmal legal, die Schuldenbremse umgehen und ziehen dafür die Ukraine in ihre Haushaltskrise mit hinein. Das ist politisch höchst unklug.

Milliardenschulden für Krieg ohne absehbares Ende

Staatsschulden für Investitionen finden meist über Parteilager hinweg Akzeptanz, weil sie nach dem Prinzip des Immobilienkredits Werte für die Zukunft schaffen können. Die Kriegskosten dagegen in Krediten zu externalisieren, den Preis dieses verteidigungspolitischen Kraftakts kommenden Generationen aufzubürden, folgt dagegen keiner zwingenden Logik. Ginge es darum, unmittelbar die territoriale Integrität Deutschlands und die Unversehrtheit seiner Bewohner zu schützen, wären solcher Art Kriegsanleihen sicherlich vermittelbar. Deutschlands Beteiligung am Ukraine-Krieg dagegen erfolgt aus sicherheitspolitischen Überlegungen, nicht aus einer akuten Bedrohung der Bundesrepublik. Die ist so sicher wie lange nicht vor einem konventionellen Angriff Russlands. Künftigen Bundesregierungen und der Bevölkerung für die kommenden Jahrzehnte die finanziellen Kosten dieser politischen Entscheidungen aufzubürden, ist daher fragwürdig - erst recht mit Blick auf die Entwicklungen in der Ukraine.

Nie in den vergangenen eineinhalb Jahren waren die Aussichten auf ein für Kiew halbwegs glimpfliches Ende der Kampfhandlungen derart außer Reichweite wie jetzt. Der Ukraine droht allmählich die materielle und psychische Kampfkraft auszugehen. Ihre internationale Unterstützung lässt nach und keines dieser Signale ermutigt Russland, Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufzunehmen - im Gegenteil. Der Krieg könnte noch viele Jahre andauern, ohne dass die Gefahr einer weiteren Destabilisierung Europas durch Russland dauerhaft minimiert wird. Zynisch gesprochen: Aus fiskalischer Sicht werden die Milliardenkredite, wie sie SPD und Grüne aufnehmen wollen, die zur Begründung angeführte Notlage absehbar nur verlängern, nicht aber beenden. Ein Kriegsende könnte die Bundesregierung - nach heutigem Stand - nur durch ein Unterlassen der Hilfen oder durch ihre substanzielle Steigerung erreichen.

Und in ausgerechnet dieser Situation sollen Bürgerinnen und Bürger zweistellige Milliardenkredite billigen - und das womöglich Jahr um Jahr aufs Neue, bis dem Machthaber im Kreml einmal die Lust auf Krieg vergeht? Das ist eine höchst riskante Strategie, zumal die Ukraine-Politik ins Zentrum ohnehin schon aufgeladener Verteilungsdebatten gezerrt wird, weil Einsparungen anderswo angeblich nicht möglich seien. Die Ampel würde riskieren, dass die Zustimmung zu Deutschlands Waffen- und Haushaltshilfen für die Ukraine weiter nachlässt. Im Dezember 2023 fehlt es der Bundesregierung sowohl bei der Finanzierung ihrer Klimaschutzvorhaben als auch bei ihrer Unterstützung der Ukraine an einer nachhaltigen, langfristigen und nachvollziehbaren Strategie. Ihre Ratlosigkeit in beiden Fragen miteinander zu verknüpfen, ist aber die denkbar schlechteste Antwort, die die Ampel in dieser existenziellen Krise geben könnte.

Quelle: ntv.de

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