"Ausgaben umschichten" Lindner bleibt bei Schuldenbremse für 2024 hart
01.12.2023, 10:07 Uhr Artikel anhören
Finanzminister Lindner bleibt optimistisch, die Vorhaben der Ampel-Koalition finanzieren zu können.
(Foto: picture alliance/dpa)
Noch immer ist unklar, woher die fehlenden Milliarden im Haushalt kommen sollen. Finanzminister Lindner zeigt sich im Bundestag jedoch optimistisch, dass die Ampel bedeutende Vorhaben umsetzen kann. Prioritäten würden sich lediglich ändern. An der Schuldenbremse 2024 will er nicht rütteln.
Finanzminister Christian Lindner will für den Haushalt 2024 keine zusätzlichen Schulden aufnehmen, sondern sparen. "Wir werden auf der Ausgabenseite umschichten. Dafür, dass wir Zukunftsinvestitionen und bedeutende Vorhaben der Koalition realisieren, werden wir andere überkommene, heute nicht mehr notwendige Ausgaben repriorisieren", sagte der FDP-Politiker im Bundestag. "Noch mehr Schulden bei stark gestiegenen Zinsen ist jedenfalls nicht der richtige Weg."
Er wolle lieber Geld für Zukunftsinvestitionen ausgeben als für Zinsen. Die Ziele der Ampel-Regierung blieben Wettbewerbsfähigkeit, Dekarbonisierung, Wohlstand für alle und eine soziale Balance. "Nach dem Urteil bleiben diese Ziele richtig, aber wir werden andere neue Wege dorthin finden", kündigte er an.
Im Bundestag brachte Lindner den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr ein. Er verteidigte ihn und beschrieb ihn als Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Im Nachhinein sei der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) falsch angelegt gewesen, erklärte Lindner. Aus dem Sondertopf kommen die Energiepreishilfen der Regierung.
45 Milliarden Euro im Nachtragshaushalt
Mit dem Nachtragshaushalt werden insgesamt rund 45 Milliarden Euro in den normalen Haushalt übertragen, überwiegend aus dem WSF. Dafür muss erneut und bereits das vierte Jahr in Folge die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt werden. Der Beschluss dazu ist für Mitte Dezember geplant. Ohne den Nachtragshaushalt hätte ein verfassungswidriger Haushalt gedroht.
Der Haushälter der Grünen, Sven-Christian Kindler, sprach sich für den Abbau klimaschädlicher Subventionen aus. "Wann, wenn nicht jetzt?", fragte er. Kindler verwies auch auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das die Bundesregierung verurteilt hat, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Außerdem müsse die Schuldenbremse für Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur erweitert werden.
Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg betonte, CDU und CSU seien bereit, der Koalition konstruktiv bei einer Lösung zu helfen - das setze aber voraus, dass die Ampel im Haushalt umschichte und ernsthaft spare. CDU-Haushälter Christian Haase sagte, frühere Regierungen hätten viel mehr als die 17 Milliarden eingespart. "Das trauen Sie sich nicht zu?", fragte er an die Koalitionäre gerichtet. Außerdem betonte er: "Die Schuldenbremse verhindert nicht die wichtigen Ausgaben, die Schuldenbremse verhindert die unwichtigen."
Lötzsch nennt Schuldenbremse "unsinnig"
Linken-Haushälterin Gesine Lötzsch plädierte mittelfristig für die Abschaffung der Regelung im Grundgesetz. "Eine zerrüttete Infrastruktur, eine zerstörte Umwelt und eine unsinnige Schuldenbremse dürfen wir nicht an die nächste Generation vererben. Das wäre zutiefst unmoralisch und ungerecht", sagte sie.
Durch das Urteil werden im Klimafonds KTF 60 Milliarden Euro aus der Rücklage gestrichen, weil ein Teil der Mittel des Fonds auf verfassungswidrige Weise in den Sondertopf übertragen wurde. Auch andere sogenannte Sondervermögen müssen neu aufgestellt werden, mit dem Nachtragshaushalt neben dem WSF auf der Hilfsfonds zum Wiederaufbau nach der Flut im Sommer 2021. "Jetzt schaffen wir Rechtssicherheit", sagte Lindner. Der WSF werde dann Ende des Jahres auslaufen.
Die Bundesregierung argumentiert, die tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges beeinträchtigten auch im Jahr 2023 erheblich die staatliche Finanzlage. Auch die Beseitigung der Flutschäden vom Sommer 2021 sei noch nicht erledigt.
Die AfD sieht das nicht als gerechtfertigt an. Rückwirkend für 2023 eine Notsituation zu erklären, sei "in jedem Fall verfassungswidrig", sagte der Haushaltspolitiker Peter Boehringer. Er forderte Unionsfraktionschef Friedrich Merz auf, dagegen zu klagen. Der AfD selbst fehlt dafür die nötige Zahl der Sitze im Bundestag.
Lindner ergänzte, die Staatsschuldenquote werde 2024 auf 64 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken, nachdem es 2021 noch 69 Prozent gewesen seien. "Die Richtung stimmt. Wir wollen sie fortsetzen." Zu den stockenden Verhandlungen über den Haushaltsentwurf für 2024 nannte Lindner kaum Details. Er bezifferte die Finanzierungslücke erneut auf 17 Milliarden Euro. Wie dieses Loch geschlossen werden soll, ist in der Ampel-Regierung umstritten. Lindner sprach von intensiven Gesprächen. "Das alles wird nicht immer bequem sein." Die Regierung werde aber neue Wege finden, ihre Vorhaben zu finanzieren.
Quelle: ntv.de, als/dpa/rts