Zwischenruf Lächerliche Profilierungssucht
26.01.2010, 16:18 UhrDie vorgestellte "neue Strategie" zum Thema Afghanistan ist verwirrend und im Ansatz falsch. Letztendlich steht zu befürchten, dass das Land am Hindukusch endet wie Somalia.

Merkel erklärt ihre Version des Afghanistan-Kurses.
(Foto: dpa)
Wenn es stimmt, dass die Taliban die deutschen Medien verfolgen, um Schlussfolgerungen für das eigene Vorgehen zu ziehen, dann hat sich die Bundesregung als Meister der Verwirrungsstrategie erwiesen. Neben der Bundeskanzlerin sprachen ihr Außen-, Innen- und Verteidigungsminister zum Thema "neue Strategie" in Afghanistan. Guido Westerwelle kündigte an, mit dem Rückzug 2011 beginnen zu wollen, Karl-Theodor zu Guttenberg sprach von 2010. Der Abzug könne 2014 beendet sein, hieß es bei dem einen, der Abzug sei erfolgsabhängig, bei dem anderen. Wir kennen das aus dem Koalitionsvertrag, in dem die groß angekündigten Steuerentlastungen versteckt auf Seite 19 unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden. Jeder kann sich aussuchen, was ihm passt. In jedem Fall grenzte die Profilierungssucht ans Lächerliche. Der Chef des Bendlerblocks wollte seine Pressekonferenz ursprünglich zur selben Zeit wie die Chefin der Regierung abhalten.
Millionen fließen in die Taschen von Warlords
Neu ist an der Konzeption allenfalls das Aussteigerprogramm für die Taliban. In der Praxis läuft das auf simple Bestechung hinaus, die im Irak mit einigem Erfolg zu einer relativen Beruhigung der Lage im sogenannten sunnitischen Dreieck, keineswegs aber im ganzen Land, geführt hat. Die Lebenslage des Volkes verbessern werden die Millionenbeträge kaum: Schon der Großteil der Entwicklungshilfemillionen floss nicht in Projekte, sondern auf dem einen oder anderen Wege in die Taschen von Beamten und selbst von Warlords.
Die Ausbildung von mehr Polizisten und Soldaten ist eine löbliche Absicht. Gleichwohl kann eine afghanische Regierungsarmee immer nur so stark sein wie die Zentralregierung, und die ist schwach und zudem durch den Wahlbetrug von Hamid Karsai nicht demokratisch legitimiert.
Trennung von Taliban und Al-Kaida
Auch ist der Ansatz falsch, wenn es um die Bekämpfung von Terroristen und die "Verteidigung der Sicherheit Deutschlands am Hindukusch" geht: Die Taliban mögen sich zwar terroristischer Methoden bedienen. Sie sind aber wohl oder übel Teil des Paschtunenvolkes, und zwar auf beiden Seiten der von Britannien künstlich gezogenen afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Terrorgruppe Al-Kaida von Osama bin Laden ist auf keiner der vier Pressekonferenzen auch nur erwähnt worden. Zielführend wäre, eine Trennung von Taliban und Al-Kaida anzustreben, umso mehr als sich letztere überwiegend aus Nichtafghanen rekrutiert.
So steht schlussendlich zu befürchten, dass Afghanistan endet wie Somalia. Und dann erst recht zum Ausgangspunkt von Terrorismus und zur Bedrohung unserer Demokratie wird.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de