Zwischenruf Mauern und Krokodilstränen
14.10.2013, 17:20 Uhr
Italien verstärkt seine Militärpräsenz im Mittelmeer.
(Foto: picture alliance / dpa)
Statt Millionen für die Überwachung der Außengrenzen der EU auszugeben, sollten ein einheitliches Einwanderungsgesetz und Hilfe vor Ort die Flüchtlingsströme in geordnete Bahnen lenken. Mitleidsbekundungen sind das Letzte, was die Flüchtlinge brauchen.
Je höher der Flüchtlingsstrom aus Afrika anschwillt, desto hilfloser reagiert Europa. Auch das jüngst vom Europäischen Parlament mit 479 Ja- bei 101 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen verabschiedete Gesetz über die Schaffung des Eurosur getauften Grenzüberwachungssystems wird daran nichts ändern.
Im Gegenteil: Jeden Tag ertrinken immer mehr Menschen in den Wellen des Mittelmeeres vor der italienischen Insel Lampedusa, bleiben im Stacheldraht der spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla hängen oder verzweifeln an der Mauer von Evros/Mariza, die Flüchtlingen aus Richtung Türkei den Zugang nach Griechenland versperren soll. Mehr als drei Millionen Euro hat das europäische Schandmal gekostet. Eurosur wird in den kommenden neun Jahren 340 Millionen verschlingen.
Schon die zehn Kilometer lange griechische Mauer zeigt: Die Menschen suchen nach Alternativen, von denen eine übers Meer auf die griechische Insel Lesbos führt und bereits zahlreiche Menschenleben gefordert hat. Auch Eurosur wird bewirken, dass immer gefährlichere Wege gesucht werden, um auf den vermeintlich Gelobten Kontinent zu gelangen. Das Geld wäre in den Herkunftsländern der Flüchtlinge besser aufgehoben.
Theoretisch zumindest. Denn vielerorts fließen die Mittel in die Kassen der Herrschenden. Die eigentlichen Ursachen für die Fluchtbewegung sind Kriege, die nicht nur, aber auch mit Waffen geführt werden, die deutsche und andere europäische Firmen liefern.
Gemeinsame europäische Einwanderungspolitik
Die überwiegend agrarbasierten Wirtschaften produzieren überwiegend für das Inland; Ausfuhren erfolgen zumeist durch internationale Lebensmittelkonzerne. Die ausfuhrorientierte Landwirtschaft der EU wird mit Milliardensummen aus Brüssel gestützt und erstickt so eine rentable Produktion vielfach schon im Ansatz, vom Export ganz zu schweigen. Solange sich die Austauschbedingungen zwischen Europa auf der einen, Afrika sowie Nah- und Mittelost auf der anderen Seite nicht grundlegend ändern, solange wird auch der Flüchtlingsstrom nicht abreißen.
Besuche eines betroffenen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Durão Barroso auf Lampedusa oder eines betenden Papstes Franziskus werden daran ebenso wenig etwas ändern wie Eurosur oder Mauer. Eine einheitliche europäische Gesetzgebung für den Einwanderungskontinent ist dringlicher denn je. Demagogische Klagen über die Einwanderung in das deutsche oder auch das (west-)europäische Sozialsystem führen letztendlich nur zu einer Stärkung rassistischer Stimmungen oder gar Parteien, die ihrerseits eine Gefahr für die Demokratie darstellen.
Doch helfenden Fischern von Lampedusa droht sogar ein Verfahren wegen "Beihilfe zum Menschenhandel". Der Hauptverantwortliche für das entsprechende Gesetz ist übrigens Ex-Premier Silvio Berlusconi, gegen den eigentlich ein Verfahren wegen Beihilfe zur Zerstörung der Demokratie eröffnet werden müsste.
Quelle: ntv.de