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Zwischenruf Merkel bleibt schwammig

Es gibt nicht nur eine Antwort, sagt die Bundeskanzlerin, befragt nach dem Vorgehen gegen jugendliche Straftäter mit Blick auf den wegsperrwütigen hessischen Wahlkämpfer Roland Koch. Jo mei, das hat lange gebraucht für jemanden, der stolz darauf verweist, dass er vier Jahre lang Jugendministerin war. Wer aber nun erwartet hatte, Angela Merkel würde sich, gestützt auf ihren ministeriellen Erfahrungsschatz, den Ursachen der Jugendkriminalität widmen, der sah sich auf ihrer Sonderpressekonferenz arg enttäuscht.

Kein Wort zur Jugendarbeitslosigkeit. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge sind mehr als eine halbe Million Jugendliche ohne Beschäftigung. Das Heer der arbeitslosen Jugendlichen ist damit fast doppelt so groß wie die Bundeswehr. Ausbildungsabgabe wäre hier das Wort, das der einstigen Jugendministerin hätte einfallen müssen. Pustekuchen. Kein Wort zur Kinderarmut. Laut Kinder-Report 2007 des Deutschen Kinderhilfswerks gelten 14 Prozent aller Kinder offiziell als arm. Ein Sofortprogramm zur Beseitigung dieses himmelschreienden Zustands hätte die christliche Antwort der CDU-Vorsitzenden sein müssen. Fehlanzeige auch hier.

Wirre Verweise auf die Statistik

Stattdessen hantiert die Regierungschefin mit Zahlen herum, die eine steigende Jugendkriminalität belegen sollen. Die Statistiken des Bundesinnenministeriums jedenfalls besagen anderes: Die Kriminalität geht bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden insgesamt zurück. 2006 nahm bei rund 2,3 Millionen Tatverdächtigen der Anteil der Kinder um 2,6 Prozent auf 100.000, bei Jugendlichen bis 18 Jahre um 2,1 Prozent auf 280.000 und bei den Heranwachsenden bis 21 Jahre um 2,3 Prozent auf 240.000 ab. Auch sind ausländische oder Jugendliche mit Migrationshintergrund keineswegs krimineller als ihre deutschen Altersgenossen. So waren unter den Tatverdächtigen 3,5 Prozent ausländische Kinder, 9,1 Prozent ausländische Jugendliche und 9 Prozent ausländische Heranwachsende. Damit lagen sie unter dem Anteil der Deutschen.

Aber in Wahlkampfzeiten würde manches eben zugespitzt, sagt Frau Merkel. Genau. Hier liegt der Hund begraben. Um des Machterhalts Willen darf Roland Koch eine unsinnige Forderung nach der anderen aufstellen, ohne dass ihm ernsthaft widersprochen wird.

Wir werden uns weiter mit dem Thema beschäftigen, auch über die Landtagswahlen hinaus, schließt die Kanzlerin. Die Bürgerinnen und Bürger sollten Angela Merkel zu gegebener Zeit daran erinnern.

Quelle: ntv.de

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