Fahrlässig optimistisch Merkel verklärt schwarz-gelbes Chaos
21.07.2010, 14:21 Uhr
Auf Rekordtief: die Umfragewerte für Schwarz-Gelb.
(Foto: AP)
"Es war rumpeliger, als man dachte", gibt die Bundeskanzlerin vor der Sommerpause zu. Die schwarz-gelbe Koalition rutscht auf die schlechtesten Werte seit 1986, und Merkel spricht von Rumpeln. Es ist viel mehr. Es ist ein Desaster. Ein Kommentar von Roland Peters
Optimismus. Schwarz-Gelb steckt mitsamt Angela Merkel in den Untiefen der Sonntagsfrage fest. Auf 34 Prozent kommt die Koalition zurzeit, das schlechteste Ergebnis, das je in der Forsa-Umfrage von Stern und RTL gemessen wurde. Doch die Bundeskanzlerin spricht in der abschließenden Pressekonferenz vor der Sommerpause von einem "Wunder". Auf dem Arbeitsmarkt wohlgemerkt, dem es besser als vor der Wirtschaftskrise gehe. Darum verbreitet Merkel Optimismus. Das ist nicht nur realitätsfern, das ist auch fahrlässig. Fahrlässig, weil die Bundesregierung in den neun Monaten ihrer Amtszeit mehr Streit präsentiert hat als Ergebnisse – und damit die Glaubwürdigkeit, die Stabilität und in letzter Konsequenz auch die Macht von Schwarz-Gelb gefährdet.
Als in der Bundespressekonferenz am 24. Oktober 2009 Guido Westerwelle lachend verkündet: "Das ist der Beginn einer großen Freundschaft", und CSU-Chef Horst Seehofer duzt – da ahnt noch niemand, dass Unions- und FDP-Minister nicht wenig später Wildsäue jagen, Gurkentruppen in den eigenen Reihen beklagen und Merkel daneben stehen wird, ohne die Stimme zu erheben.
Gute Ergebnisse, schlechte Darstellung
Das Hü und Hott von Schwarz-Gelb schließt offenbar weder die eigenen Reihen, noch ist es öffentlich populär – zumindest nicht im positiven Sinne. Wie etwa die Diskussion über die umstrittene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers oder das immer noch nicht beendete Gezänk über die geplante Gesundheitsreform. Noch immer schießt die CSU Spitze für Spitze in Richtung Jung-Minister Philipp Rösler. "Die Maßnahmen waren richtig", sagt Merkel. Aber die Form des Präsentierens dieser Maßnahmen, die ist nicht richtig.
Präsentieren, das möchte Merkel auch ihre Zwischenbilanz der schwarz-gelben Regierungsarbeit, bevor sie in den Urlaub geht. Sie betont die Erfolge ihres Kabinetts: Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, die Maßnahmen gegen die Finanzkrise, die noch immer anhaltende Wirtschaftskrise, die Bankenrettung - und natürlich das "Wunder". Doch gewundert haben sich viele Beobachter häufig nur über den Ton der Koalition, über den öffentlichen Diskurs, die Außendarstellung der Beteiligten.
Merkel mäkelt nur
Präsentieren, dass muss die Regierungskoalition in Berlin noch lernen. So wird etwa das Sparpaket, gerade erst beschlossen, öffentlich bereits wieder zerpflückt. Ein Teilnehmer der CDU-Präsidiumssitzung hielt nicht dicht – und lancierte Zitate an die Presse. Die FDP riecht bei jeder kleinen Gelegenheit die Chance, neue Steuersenkungen durchzusetzen – weil die Staatsverschuldung 2010 nicht 80, sondern voraussichtlich etwa 60 Milliarden Euro betragen wird. Die Kanzlerin sagt: "Die Prioritäten liegen auf Haushaltskonsolidierung."
Angela Merkel muss das erklären. Sie sagt: "Der Umgangston war nicht akzeptabel." Sie sagt auch: "Es war rumpeliger, als man dachte". Und sie erkennt das Problem an einer solchen Vorgehensweise: "Dem Wähler hat die Form der Diskussionen nicht gefallen". Das Ergebnis sind schlechte Umfragewerte, historisch schlechte.
Ohne Schutzschild
Präsentieren. In dieser Disziplin war Schwarz-Gelb fahrlässig. Die Große Koalition aus Union und SPD hatte dagegen "einen Schutzschild vor größeren Diskussionen", sagt Merkel. Die FDP kann diesen Schirm nicht spannen – 4 Prozent in der Sonntagsfrage reichen vielleicht für die Hotelbranche, aber nicht mehr.
Ein Journalist fragt: Frau Merkel, sind Sie sicher, dass Sie in drei Jahren noch an der Macht sind? "Sehr sicher." Das ist Optimismus. Was bleibt Merkel auch übrig?
Quelle: ntv.de