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Denkzettel aus dem Westen NRW bestraft schwarz-gelbes Gerangel

Rüttgers wird kaum zu halten sein.

Rüttgers wird kaum zu halten sein.

(Foto: AP)

Die Bochumer Straße hinter dem Gelsenkirchener Hauptbahnhof ist ein trübsinniger Ort. Ein-Euro-Geschäfte, Schaufenster sind abgeklebt, dahinter gähnende Leere. Und architektonisch ist alles in den 70er Jahren stehengeblieben. Strukturwandel gibt es nicht, hier, so weit entfernt von den hoch subventionierten Leuchtturmprojekten im Kohlenpott. Mehrere Plakate der FDP sprechen von der Leistung, die sich lohnen müsse. "Wir arbeiten uns doch schon den Buckel krumm", sagt ein Mittvierziger auf dem Weg ins Wahllokal. Auch er dürfte die schwarz-gelbe Koalition abgestraft haben – so wie das ganze Land.

Kraft ist letztlich auf Augenhöhe angekommen.

Kraft ist letztlich auf Augenhöhe angekommen.

(Foto: REUTERS)

Leistung, die sich lohnt: An diesem Wahlabend ein Satz, der für zwei Parteien gilt. Zum einen für die SPD, zum anderen für die Grünen. SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft verschafft ihrer Partei kein gutes, aber ein akzeptables Ergebnis und streichelt damit die geschundene Seele der Sozialdemokraten. Kraft war klar in ihren Aussagen, mauserte sich vom "Fräulein Chancenlos" zum "Kraftpaket". Bildung war ihr Thema. Und in der Tat: Für die Mehrheit der Wähler war die Zukunft ihrer Kinder entscheidend.

Was Kraft nicht verhindern konnte, ist der Einzug der Linken in den Landtag. Immerhin rund 5,5 Prozent der Wähler machten ihr Kreuz bei einer Truppe, die speziell in NRW aufgrund teilweise radikaler und abstruser Forderungen noch weit von der Regierungsfähigkeit entfernt ist. Die SPD hat das "Problem Linkspartei" also noch nicht in den Griff bekommen: Sie kriegt die anderen Roten nicht klein - und kann doch auch nicht mit ihnen regieren. Gäbe es die Linken nicht, hätte Kraft jedenfalls einen klaren Sieg eingefahren.

Die FDP-Euphorie ist in NRW verflogen: Aus 10 Prozent plus X ist nichts geworden.

Die FDP-Euphorie ist in NRW verflogen: Aus 10 Prozent plus X ist nichts geworden.

(Foto: REUTERS)

Die Grünen wurden belohnt für ihren offenen Kurs, der nichts ausschloss. Zurzeit, das muss gesagt werden, scheinen die Grünen die Partei zu sein, die am wenigsten schlingert. Afghanistan, Griechenland, Gesundheitssystem: Die Partei bekennt sich klar, es gibt Diskussionen, aber kein Gezerre. Zudem treibt der Atomkurs der schwarz-gelben Regierung der Umwelt-Partei Wähler zu.

Und die Verlierer? Das sind der bisherige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, FDP-Chef Guido Westerwelle und Kanzlerin Angela Merkel. Rüttgers, der im Spagat zwischen "Arbeiterführer" und "Konservativer" seit fünf Jahren mit seinen Nordrhein-Westfalen fremdelte, kassierte eine deftige Strafe für die Sponsoring-Affäre, für den steckengebliebenen Strukturwandel, die Studiengebühren und den Stillstand in der Bildungspolitik. In Zahlen ausgedrückt: minus 10 Prozent für die Christdemokraten.

Doch die Strafe wäre ohne das "Traumpaar" Merkel/Westerwelle längst nicht so schlimm ausgefallen. Rüttgers muss – und es ist klar, dass er seinen Posten verliert – auch gehen, weil die rund 13 Millionen Wahlberechtigten im Westen ein deutliches Signal nach Berlin geschickt haben. Und das heißt: Schluss mit dem Ausstieg aus dem Atom-Ausstieg, mehr Führung durch die Kanzlerin, keine Kopfpauschale, klarer Kurs in der Finanzkrise inklusive "Berücksichtigung" der Banken und Spekulanten, Schluss mit dem Populismus und den verkorksten Steuersenkungsplänen der FDP. Da Schwarz-Gelb auf die eigene 100-Tage-Bilanz nicht reagierte, hat sich nun eben der Souverän zu Wort gemeldet und die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat geändert. Klarer und deutlicher geht es kaum.

Quelle: ntv.de

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