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Zwischenruf Noch sind die Proteste leise

Selbst wenn das Treffen der 40 Wirtschaftsweisen im Berliner Kanzleramt nur der Bewertung der bisherigen Maßnahmen gegen die Krise dienen sollte, angesichts ihrer immer wieder beschworenen Schwere hätte man mehr erwartet. Abwarten und Tee trinken, scheint die Devise der "erdrückenden Mehrheit" am Tisch gewesen zu sein.

Die Bundeskanzlerin sagt, die Maßnahmen würden zu greifen beginnen. Selbst die erfolgreiche Abwrackprämie schützt tausende bei Opel und Daimler nicht vor der drohenden Entlassung. Prognosen von einem Einruch des Bruttoinlandsprodukts von mehr als fünf Prozent und ein Anstieg der Arbeitslosenzahl um eine Million machen die Runde. Angela Merkel scheint unter greifen etwas anderes zu verstehen als jene, die auf der Straße sitzen.

Wenn Bundesfinanzminister Peer Steinbrück andeutet, das Kurzarbeitergeld könne von nunmehr 18 auf 24 Monate verlängert werden, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Gleiches gilt auch für eine - mögliche - vollständige Entlastung der Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsbeiträgen für Kurzarbeiter. Warum aber nicht auch bei den Arbeitnehmern? Weshalb schießen Bund, Länder und Kommunen nicht so zu, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben? Die für die Krise verantwortlichen "Ordnungspolitiker und -wissenschaftler" meinen, dies wäre Wettbewerbsverzerrung. Die Existenzverzerrung von Millionen Menschen ficht manch einen von ihnen offensichtlich kaum an. Am Donnerstag werden abermals gestiegene Erwerbslosenzahlen bekanntgegeben. Fehlen wird im Nürnberger Wort zum Arbeitsmonat, dass bereits mehr als ein Viertel der Beschäftigten von Leiharbeit und Minijobs leben. Tendenz steigend. Mindestlöhne in diesem Bereich lehnt die Union ab. Am – bislang offenen - Ende dieser Krise, wird der Leiharbeiter so normal sein wie einst der Tagelöhner. Das kann nicht Ziel einer sozialen Marktwirtschaft sein.

"Blutkreislauf der Wirtschaft"

BDI-Chef Hans-Peter Keitel meint, vor allem die Banken als "Blutkreislauf der Wirtschaft" müssten unterstützt werden. Die Milliardentransfusionen seit dem Herbst haben nichts gebracht. Immer noch heißt es, die Banken hätten noch kein Vertrauen untereinander, die Kreditvergabe käme nicht so richtig wieder in Gang. Wie viel Euro braucht es noch, bis die Banken wieder Vertrauen fassen? Was kostet ein Pfund davon? Die Commerzbank hat sich vom Staat etwas zuschustern lassen. Doch nur ein Teil der Verluste war auf waghalsige Spekulationen zurückzuführen. Die Masse ging auf das Konto "Übernahme der Dresdner Bank". Da war Geld da. Im Handumdrehen.

Die Bundesregierung wird über kurz oder lang gezwungen sein, ein weiteres Konjunkturprogramm aufzulegen, ob sie es nun so nennt oder nicht. Das wenigstens hätten die Teilnehmer in Aussicht stellen können. Beim Hornberger Schießen kam auch nichts heraus, aber da hatten die Bürger wenigstens versucht, den fehlenden Kanonenlärm durch Brüllen zu ersetzen. Apropos: Noch sind die Proteste in Deutschland leise. DGB-Chef Michael Sommer, einer der Teilnehmer der Runde, hat vor sozialen Unruhen gewarnt. Das sollte die anderen 39 nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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