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Zwischenruf Obama erfüllt Erwartungen

Die Rede Obamas in der Kairoer Universität war nicht seine erste Botschaft an die muslimische Welt, aber zweifelsfrei die bedeutendste. Sie könnte eine Wende einleiten, meint Manfred Bleskin.

Die USA setzen für die Zukunft auf einen Diaolog mit der muslimischen Welt.

Die USA setzen für die Zukunft auf einen Diaolog mit der muslimischen Welt.

(Foto: AP)

Die Erwartungen an die Rede von Barack Obama in Kairo waren hoch. Der US-Präsident ist ihnen gerecht geworden. Die USA haben begriffen, dass sie auf Dauer nicht aggressiv-militärisch, sondern dialogbereit und politisch vorgehen müssen.

Ohne die Unterstützung der arabischen Staaten und des Iran wird der Irak nach einem Abzug der US-Kampftruppen keinen Frieden finden. Auch in Afghanistan droht den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten ein Fiasko, das nur mit Hilfe der muslimischen Nachbarn verhindert werden kann. Der Krieg am Hindukusch ist nie beendet worden. Im Gegenteil: Teile des Nachbarn Pakistan stehen in Flammen, im Rest des Landes schwelt der Brand in bedrohlicher Weise. Allerdings ist von der abermals beschworenen neuen Strategie bislang kaum etwas zu merken. Das Dilemma: Das Konzept "Krieg-führen-und-gleichzeitig-Entwicklungshilfe-geben" geht – wie deutsche Erfahrungen beweisen - nicht auf. Es wird schlussendlich nicht ohne Verhandlungen mit den Taliban gehen. Dadurch könnte sich das Problem Al-Kaida fast von selbst lösen: Ohne Rückendeckung durch die Koranschüler kann die Terrorgruppe nur schwerlich existieren. Divide et impera!

Und um die Aufrechterhaltung der Vorherrschaft der USA geht es natürlich auch einem Barack Obama. Mit der islamischen Welt als Verbündetem kann sein Land dem Hauptkonkurrenten China ganz anders gegenübertreten als mit einem Alliierten Israel. Hier hat Obama eine Kehrtwende vollzogen. Zwar wird die Regierung in Jerusalem weiter mit Hilfe aus Washington rechnen können. Die Zeit der bedingungslosen Unterstützung aber ist vorbei. Auch wenn Obama die Hamas zur Aufgabe der Gewalt aufforderte: Die mögliche Einbeziehung der in Gaza herrschenden Islamisten in Friedensgespräche löst in Israel Besorgnis aus. Erstmals seit dem Suezkrieg 1956 wird es wieder Spannungen zwischen US-Amerikanern und Israelis geben. Eine Weiterreise von Kairo in die Heilige Stadt hätte für die Juden in und außerhalb Israels deshalb einen hohen Symbolwert gehabt, ebenso eine ähnliche Rede.

Neu ist, dass die USA erstmals öffentlich das Recht des Iran auf eine friedliche Nutzung seines Nuklearpotentials anerkennen. Zum ersten Mal hat ein US-Präsident zugegeben, dass sein Land 1953 am Sturz der demokratisch gewählten Mossadegh-Regierung beteiligt war. Dies könnte den angestrebten Dialog mit Teheran befördern. Die Rede Obamas in der Kairoer Universität war nicht seine erste Botschaft an die muslimische Welt, aber zweifelsfrei die bedeutendste. Sie könnte eine Wende einleiten.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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