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Kommentar Ohne Plan gegen Gaddafi

Ein französischer Kampfjet startet vom Militärflughafen Saint-Dizier im Osten Frankreichs.

Ein französischer Kampfjet startet vom Militärflughafen Saint-Dizier im Osten Frankreichs.

(Foto: REUTERS)

Die internationale Gemeinschaft demonstriert in Libyen Handlungsfähigkeit. Ein klares Ziel hat sie allerdings nicht. Denn zumindest in der Hauptstadt Tripolis und im Westen des Landes wird Machthaber Gaddafi sich halten können.

Muammar al-Gaddafi hat den Bogen überspannt. Mit der Fortsetzung der Angriffe gegen die Rebellen im Osten Libyens ließ er der internationalen Gemeinschaft keine Wahl. Gedeckt durch die UN-Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone über dem nordafrikanischen Land werden die Alliierten nun aktiv und greifen aus der Luft auf der Seite der Aufständischen in die Kampfhandlungen ein. Es wurde auch allerhöchste Zeit, denn Gaddafis Truppen waren drauf und dran, Libyens zweitgrößte Stadt Bengasi zurückzuerobern.

Der "Revolutionsführer" hat sich außenpolitisch völlig verkalkuliert. Bis zuletzt war der 68-Jährige offenbar davon ausgegangen, dass keine Einheit aus westlichen und arabischen Staaten gegen sein Regime zustande kommt. Gaddafi spielte sein altes Spiel, verschickte wirre Briefe und versuchte, zwischen den gegnerischen Staaten Zwietracht zu säen. Einerseits biederte er sich bei kampfunwilligen Ländern wie Deutschland an, lobte sie und lockte mit Aufträgen für die Wirtschaft. Andererseits kam der andere Gaddafi zum Vorschein - der drohende. Die Länder, die Libyen angriffen, würden dies bereuen, schwadronierte er.

Aller Großmäuligkeit zum Trotz: Die libysche Armee hat den alliierten Kampfgeschwadern nur sehr wenig entgegenzusetzen. Nach nur kurzer Zeit beherrschen Franzosen, Briten und Kanadier den Luftraum der Volks-Dschamahirija. Die libyschen Panzer sind in der Wüste den gegnerischen Kampfjets schutzlos ausgeliefert. Deshalb war es auch so wichtig, mit den Aktionen zu beginnen, bevor Gaddafi die vollständige Kontrolle über Bengasi erlangt hat. Bombenangriffe auf Armeeeinheiten in einer Stadt würden mehr zivile Opfer nach sich ziehen.

Teilung des Landes droht

Ziel der Koalition kann erst einmal nur sein, die Angriffe der Gaddafi-Soldaten gegen die Aufständischen zu unterbinden. Der Einsatz von Bodentruppen ist nicht vorgesehen. Und damit kommt das eigentliche Problem. Was wollen der Westen und seine Verbündeten mit dem Einsatz eigentlich erreichen? Schaffen sie es, Gaddafi aus dem Ostteil Libyens (Kyrenaika) fernzuhalten, zementieren sie die Teilung des Landes.

Den Beginn der Luftangriffe auf Libyen verkündete Sarkozy höchstpersönlich.

Den Beginn der Luftangriffe auf Libyen verkündete Sarkozy höchstpersönlich.

(Foto: dpa)

Zumindest in der Hauptstadt Tripolis und im Westen (Tripolitanien) wird Gaddafi sich halten können. Eine Liquidierung des Machthabers und seiner Gefolgschaft aus der Luft ist schwierig. Auch ist nicht zu 100 Prozent gewährleistet, dass Gaddafi nicht erneut gegen die Aufständischen zu Felde zieht. Das sieht auch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière so. Deshalb mahnte der CDU-Politiker, "das Ende zu bedenken".

Ausgerechnet Sarkozy

Wichtig und richtig ist, dass vor dem Einsatz in aller Schnelle eine Koalition - das sogenannte "Bündnis der Willigen" - zusammengeschmiedet wurde. Der Westen, allen voran die Amerikaner, waren daran interessiert, dass arabische Staaten mit ins Boot geholt wurden. Washington trat auch in der Libyen-Frage nicht als bestimmende Kraft auf, sondern agierte im Hintergrund. Die Öffentlichkeitsarbeit überließ Präsident Barack Obama Frankreich. Dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy konnte alles nicht schnell genug gehen. Er war - gemeinsam mit dem britischen Premierminister David Cameron - die treibende Kraft für das internationale Vorgehen gegen den Diktator von Tripolis.

Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet im Pariser Elysée-Palast, in dessen Nähe Gaddafi vor mehr als drei Jahren sein Zelt aufschlagen ließ, letzte Hand an dem militärischen Einsatz gegen ihn angelegt wurde. Ohnehin lässt die radikale Kehrtwende der Nordafrika-Politik Frankreichs den Beobachter staunen. Im mittlerweile entmachteten tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali sah Paris damals einen engen Freund; gegen Gaddafi ziehen die Franzosen an vorderster Front zu Felde. Endlich kann der innenpolitisch stark unter Druck stehende Sarkozy Weltpolitik machen und sich der Öffentlichkeit als zupackender Staatschef präsentieren.

Merkel zögert

Deutschland habe sich im Sicherheitsrat nur deshalb enthalten, weil es sich nicht an den militärischen Maßnahmen beteiligt, erklärte Merkel. "Die Ziele dieser Resolution teilen wir uneingeschränkt."

Deutschland habe sich im Sicherheitsrat nur deshalb enthalten, weil es sich nicht an den militärischen Maßnahmen beteiligt, erklärte Merkel. "Die Ziele dieser Resolution teilen wir uneingeschränkt."

(Foto: dpa)

Dagegen wird sich Bundeskanzlerin Angela Merkel den Vorwurf des Zögerns gefallen lassen müssen. Das derzeit im Weltsicherheitsrat sitzende Deutschland hat sich mit seiner Stimmenenthaltung unklug verhalten. Das Awacs-Angebot an die Amerikaner für Afghanistan hätte auch nach einem Ja zur Flugverbotszone ordentlich erklärt werden können. Gegenüber Gaddafi war es jedenfalls das falsche Signal. Wie schwierig allerdings die Situation für Berlin ist, zeigt der Riss, der in dieser Frage durch die Reihen von Union und SPD geht.

Es ist zu hoffen, dass der Despot in Tripolis die richtigen Folgen aus der Umsetzung der UN-Resolution zieht. Nur ein Einlenken lässt Gaddafi politisch überleben. Für Libyen als Ganzes gibt es allerdings keinen Plan.

Quelle: ntv.de

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