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Nach dem Musharraf-Debakel Pakistan bleibt eine Zeitbombe

Der Sieg der Opposition bei den Parlamentswahlen in Pakistan bedeutet noch lange nicht, dass Ruhe einzieht in das Land. Zunächst haben sich nur 40 Prozent der rund 81 Millionen Wahlberechtigten an dem Urnengang beteiligt, weniger als 2002. Da waren es noch 42 Prozent. Der überwiegenden Mehrheit der Pakistani ist Demokratie fremd, erscheint als westimportiert.

Die radikalen Islamisten waren an den Wahlurnen unterlegen. In der Gesellschaft und den Schaltzentralen von Armee und Geheimdienst verfügen sie jedoch über unverändert großen Einfluss. In den Stammesgebieten entlang der Grenze zu Afghanistan haben sie ohnehin das Sagen.

Der Sieg der Opposition, angeführt von der Volkspartei (PPP) der ermordeten früheren Ministerpräsidentin Benazir Bhutto, gefolgt von der Pakistanischen Muslim-Liga (PML-N) Nawaz Sharifs, auch er ein ehemaliger Regierungschef, bietet kaum eine Garantie für eine stabile Regierung. Die PPP ist bereit, sich mit Präsident Pervez Musharraf und dessen unterlegener Muslim-Liga (PML-Q) zu arrangieren. Sharif besteht darauf, dass Musharraf abtritt. Selbst wenn die Wahlsieger gemeinsam auf eine Zweidrittelmehrheit kommen und ein Amtsenthebungsverfahren gegen Musharraf einleiten, wäre dieser dank seines Rückhalts in den Streitkräften politisch keineswegs erledigt. Der Weg in Richtung politische Stabilisierung kann nur eingeschlagen werden, wenn alle drei großen Parteien zusammengehen.

Stabilität in Pakistan ist nicht nur in der Region unerlässlich. Immer noch ist das Land Hauptrückzugs- und Nachschubgebiet für die Terroristen von El-Kaida und Taliban. Die Rivalität der Nuklearmacht mit dem gleichfalls Kernwaffen besitzenden Indien birgt unverändert die Gefahr einer atomaren Konfrontation in sich. Nicht vergessen werden sollte, dass es Nawaz Sharif war, der 1999 "die islamische Atombombe" gegen den mehrheitlich hinduistischen Nachbarn einsetzen wollte.

Auch künftig ist nicht ausgeschlossen, dass sich radikale Muslime der Waffen bemächtigen, nicht nur, um sie gegen Indien einzusetzen. Auch Europa wäre großer Gefahr ausgesetzt. Schon jetzt können die pakistanischen Trägerraketen das östliche Mittelmeergebiet erreichen. Trotz gegenteiliger Behauptungen verfügt Pakistan nicht über die so genannten Permissive Action Links, jenes System, das Atomsprengköpfe durch zwei voneinander unabhängige elektronische Sperren vor versehentlicher oder unerlaubter Zündung sichert.

Bleiben die tiefen sozialen Gegensätze, die weder Wahlsieger und –verlierer bereit und fähig zu überwinden sind. Zwar sind nur rund 7,8 Prozent der Bevölkerung offiziell als erwerbslos registriert. Aber es gibt eine nicht exakt zu beziffernde Unterbeschäftigung. Knapp ein Drittel der 150-Millionen-Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Demgegenüber steht eine Minderheit, die vom unbestrittenen Wirtschaftsaufschwung profitiert.

Damit bleibt Pakistan – unbeschadet der bis zu 55 Atomsprengköpfe - auch in der Zukunft eine politische und soziale Zeitbombe.

Quelle: ntv.de

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