"Berliner Erklärung" Papier ist geduldig
15.01.2010, 13:55 Uhr
(Foto: REUTERS)
Die CDU will sich künftig verstärkt um die Wähler von FDP, SPD und Grünen bemühen. Zwei Gründe sprechen für diese Entscheidung: Wenn die Union Volkspartei bleiben will, muss sie auf Wechselwähler setzen. Die Jungkonservativen, die ihrer Partei immer wieder eine konservative Wende empfehlen, sind auf einem strategischen Holzweg: "Die Parteimitglieder der Union sind zweifellos konservativer als ihre Wähler", sagt der Historiker Frank Bösch gegenüber n-tv.de.
Zugleich ist klar, dass die klassischen Volksparteien schwächer, die kleineren Parteien stärker werden. Ihr offizielles Ziel "40 Prozent plus x" wird für die Union auf Bundesebene kaum noch zu realisieren sein. In dieser Situation ist es klug, sich nicht allzu weit von möglichen Koalitionspartnern zu entfernen. Wer um die Wähler des Gegners wirbt, bewegt sich automatisch in dessen Nähe.
Eine andere Frage ist, ob Merkels Strategie auch inhaltlich überzeugt. "Wir wollen mit einer konsequenten Umwelt- und Klimaschutzpolitik verstärkt Wählerinnen und Wähler für uns gewinnen, denen die Bewahrung der Schöpfung ein besonderes Anliegen ist", heißt es in der "Berliner Erklärung". Mit Absichtserklärungen allein wird das nicht gelingen. "Deutschland ist treibende Kraft beim weltweiten Klimaschutz", so die "Berliner Erklärung" weiter. Viel zu spüren ist davon schon seit 2008 nicht mehr.
"Moderne bürgerliche Politik", so heißt es in der "Berliner Erklärung", speise sich "aus christlich-sozialem, liberalem und konservativem Denken". Das sind die klassischen Wurzeln der CDU, die in diesen Tagen mehrfach täglich heruntergebetet werden. Das Verhältnis dieser Grundströmungen wird in der CDU immer wieder neu verhandelt. Das ist eine Stärke der Partei, das macht sie flexibel, ihre Politik immer wieder neu auszurichten, ohne ihre Ursprünge aufzugeben. In der praktischen Politik besteht allerdings die Gefahr der Konturlosigkeit.
Papier ist geduldig. Ob die "Berliner Erklärung" überzeugt, hängt nicht von ihrem Inhalt ab, sondern davon, ob die CDU und vor allem die Bundeskanzlerin es schaffen, "alle Schichten und Gruppen, alle Wählerinnen und Wähler" anzusprechen. In der schwarz-gelben Koalition droht die Steuerpolitik zur Achillesferse der CDU zu werden. Dem will die CDU offenbar mit ihrem Konzept der "Chancengesellschaft" entgegentreten. Doch auch dies ist bislang nur eine recht wolkige Idee. Solange die CDU sich nicht deutlicher von der FDP abhebt, hat sie ein Problem.
Quelle: ntv.de