100 Tage Obama Parteiwechsel zum Jubiläum
29.04.2009, 08:37 UhrDer Präsident befand sich gerade in einer Besprechung, als ihm ein Mitarbeiter einen Zettel reinreichte. "Arlen Specter", so las Obama, "wechselt die Partei". Diese nüchterne Nachricht: Eine Art Jubiläums-Geschenk 100 Tage nach der offiziellen Amtsübernahme. "Der Präsident war begeistert", berichtet Sprecher Robert Gibbs bei seinem täglichen Press Briefing im Weißen Haus. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ein Senator nach 30 Jahren im Parlament die Fronten wechselt - in diesem Falle von den Republikanern zu den Demokraten.
Die frohe Kunde aus dem Kapitol - eine Ausnahme in der ersten Amtsphase Obamas. Bislang häufen sich die Hiobsbotschaften: Weltwirtschaftskrise, Immobiliencrash, die Automobilindustrie vor der Pleite. Außenpolitisch muss Obama zwei Kriege führen, die Lage im Nahen Osten befrieden, mit den Problemregierungen im Iran und Nordkorea klarkommen. "All diese Themen sind wichtig", sagt Karen Donfried vom German Marshall Fund of the United States in Washington gegenüber n-tv. "Doch die wirtschaftlichen Themen sind die wichtigsten."
Obama legt aktionistisches Tempo an den Tag
Entsprechend aktionistisch ist Obamas Tempo. Er verabschiedet das größte Konjunkturprogramm in der Geschichte der Vereinigten Staaten und stützt den Bankensektor mit Billionen. Gleichzeitig widmet er sich den ungelösten Problemen in der Gesundheits-, Energie- und Einwanderungspolitik. "Er darf sich aber nicht verzetteln", warnt der ehemalige Präsidentenberater David Gergen, einst in Diensten von Reagan und Clinton. "Vielleicht wäre es weiser, sich ganz auf die Wirtschaftskrise zu konzentrieren."
Zumal sich Washington, anders als von Obama prophezeit, bislang kaum verändert hat. Der vielzitierte Wandel blieb aus, der Riss quer durch die Gesellschaft und entlang der Parteilinien lebt fort. Trotz aller Werbungsversuche stimmen die Republikaner stur gegen alle Pläne der Regierung. Das Ziel ist unschwer zu erkennen. "Damit werden die Programme direkt mit dem Präsidenten identifiziert", so Gergen. Und im Falle eines Scheiterns habe das Weiße Haus den Misserfolg allein zu verantworten.
Liberale Republikaner sympathisieren mit Obama
Bislang jedoch geht diese Taktik nicht auf; Obama genießt einen stabilen Vertrauensvorschuss. Zwei Drittel der Amerikaner sind mit seiner Amtsführung laut Umfragen zufrieden. Offenbar fällt auf, dass die Republikaner politisch wie personell derzeit kaum Alternativen zu bieten haben. Der spektakuläre Übertritt Specters symbolisiert den Rechtsruck der letzten Jahre. Der langjährige Senator aus Pennsylvania fühlt sich nach eigenem Bekunden in seiner alten Partei nicht mehr zu Hause. "Ronald Reagan holte seinerzeit die konservativen Demokraten ins Lager der Republikaner", erinnert sich Bill Schneider von CNN. "Jetzt erleben wir eine Gegenbewegung: Die liberalen Republikaner aus dem Nordosten der USA sympathisieren offen mit Obama."
Doch all das sagt wenig aus über die Zukunft des Newcomers im Weißen Haus. "Die ersten 100 Tage sind wichtig", so Donfried, "doch viel entscheidender sind die nächsten 100 bis 200 Tage." Viele Beobachter sind sich sicher: Nur wenn Obama die wirtschaftlichen Turbulenzen in den Griff bekommt, haben die Demokraten eine Chance bei den Kongresswahlen 2010, und die wiederum sind wegweisend für die Aussichten bei den Präsidentschaftswahlen 2012. Arlen Specter mag bis dahin eine interessante Fußnote bleiben. Oder einen landesweiten Trend markieren.
Christian Wilp leitet als USA-Korrespondent das n-tv Studio in Washington.
Quelle: ntv.de