Zwischenruf Platzende Schwimmringe
12.08.2007, 13:04 UhrVon Manfred Bleskin
Es hatte alles so schön angefangen jenseits des Atlantiks: Über Jahre waren die Immobilienpreise gestiegen, die Zinsen niedrig. Wer wollte nicht seine eigene Wohnung, sein eigenes Haus? Kein Problem, sagten US-Hypothekenbanken, beschwatzten Menschen mit niedrigen Einkommen und folglich schlechter Bonität Kredite für den Hausbau oder den Wohnungskauf aufzunehmen. Diese Kredite verscherbelten sie dann an Großinvestoren und Investmentbanken. Die Investmentbanken wiederum machten aus den unzähligen Einzelkrediten große Hedgefonds und verkauften sie dann auf den internationalen Finanzmärkten.
Nur: Die Zinsen stiegen, die Schuldner waren immer weniger in der Lage ihren Verpflichtungen nachzukommen. 2006 wurden 1,2 Millionen mit Hypotheken belastete Privatimmobilien zwangsvollstreckt. Das war ein Anstieg der Zwangsvollstreckungen um 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit Jahresbeginn stieg die Zahl der Hauseigentümer, welche ihre Verbindlichkeiten nicht mehr schultern können, nochmals sprunghaft an: Im Januar kamen 19 Prozent mehr Häuser unter den Hammer als im Vormonat. Die Folge: Die Fonds verloren an Wert. Noch im März hatten der "Enhanced Leverage Fund" und der "High-Grade Fund" der US-Bank Bear Stearns einen Wert von umgerechnet rund 1,16 Milliarden Euro. Zu Monatsbeginn leistete Bear Stearns den Offenbarungseid; beide Fonds sind kaum mehr denn einen Pfifferling wert. Einen dritten Fonds der Bank erwischte es kurze Zeit später, auch Fonds anderer Banken gerieten in den Pleitestrudel. Inzwischen sind sogar Banken betroffen, die rein gar nichts mit den "subprime mortages", den zweitklassigen Hypotheken, zu tun haben.
Die scheinbar profitablen Unternehmungen hatten auch ausländischen Banken wie die deutsche IKB angelockt. Die geriet derart in eine finanzielle Schieflage, dass private, genossenschaftliche und öffentlich-rechtliche Banken in die Bresche springen mussten, um einen Crash zu verhindern. Mittlerweile gab auch die Deutsche-Bank-Tochter DWS bekannt, dass sich das Vermögen ihres ABS-Fonds um ein Drittel auf 2,1 Milliarden Euro verringert hat. Sal. Oppenheim musste einen Fonds in Höhe von 750 Millionen Euro dicht machen, die französische BNP Paribas drei Fonds über 1,6 Milliarden Euro einfrieren. Die Liste ließe sich fortsetzen. Doch noch sind nicht alle Bücher geöffnet, weitere unangenehme Überraschungen also durchaus noch möglich.
Das Schlimme ist weniger das Volumen der in den USA geplatzten Hypotheken. Offenbar ist nur ein Prozent betroffen. Das Schlimme ist das Misstrauen der Märkte. Ein Verkaufsfieber hat eingesetzt, weil man das Vertrauen in die eigenen Spekulationsfähigkeiten maßlos überschätzt hat. Kredite werden nicht mehr wie früher vergeben, das Geld wird knapp. Der Rettungsanker der Europäischen Zentralbank sowie der Zentralbanken Australiens, Japans, Kanadas und der USA in Höhe von umgerechnet insgesamt 181,5 Milliarden Euro beruhigte die Märkte zwar ein wenig. Aber die Geldmenge ist gewachsen und die Inflationsgefahr real. Nun meint der neue Fed-Chef Ben Bernanke, lieber Inflation als sinkendes Wachstum. Doch ist der Aufschwung zu fragil und zudem zyklisch. Zu schlechter letzt geht der Aufschwung in die Knie und man hat beides.
Wer hilft? Der Staat, der den Neoliberalen sonst nur im Wege steht. In den USA hat mit Henry Paulson eine ehemalige Führungskraft der Investmentbank Goldman Sachs den Posten des Finanzministers inne. Bei Goldman Sachs ist bereits der zweite Fonds in Schwierigkeiten geraten. Auch der Bund musste bluten: Bei der Stützung der IKB sprang auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau ein, der 38 Prozent an dem Institut hält.
Sicher: schon 2001 nach 9/11 hatte es ähnlich bös’ ausgesehen. Doch damals waren die USA noch nicht so hoffnungslos überschuldet wie heuer angesichts der weltweiten Kriegsabenteuer des Landes, der Dollar war erheblich mehr wert und die Zinsen waren niedriger.
Alte Rezepte werden nicht helfen. Internationale Hilfsaktionen sollten die "emerging economies" von Brasilien, China, Indien und Russland einbeziehen. Zudem scheint es dringlich, dass der Staat nicht nur als Feuerwehrmann agiert. Eine Kontrolle der internationalen Finanzströme scheint unerlässlich, und zwar nicht nur dort, wo der Staat selbst involviert ist. Sonst könnte sich der Rettungsanker als Schwimmring erweisen, der unter der Last der Pleiten platzt.
Quelle: ntv.de