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Volker Jacobs kommentiert Programm aus Utopia

Schlingernd zwischen dem Wunsch nach Regierungsbeteiligung und Radikalisierung hat sich die "die Linke" in Cottbus erst einmal für die Radikalisierung entschieden. Der mit überwältigender Mehrheit beschlossene Leitantrag ist ein Programm aus Utopia. Realisten mit Regierungserfahrung wie der frühere brandenburgische Arbeitsminister Helmut Holter hatten keine Chance, sich gegen den von Oskar Lafontaine mit einer fulminanten Rede befeuerten Populismus durchzusetzen.

Abschaffung der Rente mit 67 und von Hartz IV, ein Mindestlohn der noch über die Forderungen des DGB hinausgeht, eine den Lebensstandart sichernde Mindestrente und die mutige Annahme, dass die Wirtschaft ohne weiteres die Steuererhöhungen verkraften würde, mit denen alles bezahlt werden soll, wenn es damit bezahlt werden kann. Es bleibt offen, ob der Dämpfer, den Lafontaine bei der Wahl zum Parteivorsitzenden erhielt, allein dem selbstherrlich dominanten Auftreten zuzurechnen ist, das er oftmals an den Tag legt, oder auch dem Unbehagen mancher Delegierter über soviel Realitätsferne.

Dabei ist indessen nicht zu übersehen, dass die Linke Berührungspunkte mit dem linken Flügel der SPD sucht. Dass sie die Debatte bei den Sozialdemokraten beeinflusst, ist neben ihren Wahlerfolgen ein Grund für ihr geradezu explosives Selbstbewusstsein. Mindestlohn, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, höhere Steuern auf Spitzeneinkommen sind Themen, die auch in der SPD ventiliert werden. Die Rente mit 67 ist für manche in der SPD ebenfalls diskussionsbedürftig. Schließlich: Auch wenn die Präsidentenwahl in Cottbus kein Thema war, wissen die Genossen nur zu gut, dass die SPD dabei nur mit ihrer Hilfe zum Erfolg kommen kann.

Ein Programm hat die Linkspartei noch nicht. Sie will es erst noch erarbeiten. Bis dahin wird man den Leitantrag des Parteitags in Cottbus als Programm nehmen müssen. Es steht in schreiendem Gegensatz zu dem Realitätsbewusstsein, das die Linke in der Regierung in Berlin und in manchen Kommunen beweist. Aber für diesen Pragmatismus ist sie bei der jüngsten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus mit Stimmenverlusten bestraft worden. Im Bund ist sie mit diesem Programm regierungsunfähig, auch aus außenpolitischen Gründen. Die Forderung nach Austritt aus der NATO und Rückzug der Bundeswehr von allen Auslandseinsätzen führt dorthin, wo Deutschland vor der Gründung der Bundesrepublik war: Zwischen allen Stühlen.

Quelle: ntv.de

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