Zwischenruf Rent-a-Politician
01.03.2010, 13:33 UhrStatt die Löcher im Gesetz zu stopfen, suchen die Politiker selbst danach, um die Regeln der Parteienfinanzierung zu umgehen. Moralisch schreit die Geschichte zum Himmel.
Der Volksmund sagt, für Geld wäre alles zu haben. Der Souverän hat – leider – Recht. Die jüngst bekannt gewordenen Fälle des Kaufs von Gesprächen mit Spitzenpolitikern fügen der Demokratie schwersten Schaden zu. Auch den Betroffenen selbst: Tillich wird in Sachsen immer unglaubwürdiger, Rüttgers in Nordrhein-Westfalen der Skandal den Wahlsieg kosten. Zynisch die Preise: 4000 Euro kostet ein Schwätzchen mit Sachsens Regierungschef. Im reicheren NRW sind schon 6000 erforderlich, um mit dem Ministerpräsidenten ins Gespräch zu kommen. Das ist sozusagen der umgekehrte regional gestaffelte Hartz-IV-Regelsatz für Politiker.
Nun ist das "Sponsoring" ja nicht verboten. Doch moralisch schreit die Geschichte zum Himmel. Anstatt die Löcher im Parteiengesetz offenzulegen und sie zu stopfen, suchen die Regierenden selbst nach Lücken, um die Richtlinien für die Parteienfinanzierung zu umgehen. Statt zuzugeben, dass etwas falsch gemacht wurde, unternehmen CDU in Dresden und Düsseldorf den Versuch, ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Niemand kommt auf die Idee, den Fehltritt einzugestehen und ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das derlei künftig verhindert. Gesetzgeber und -ausführer als Experten beim eigennützigen Gebrauch von Gesetzeslücken.
Aggression statt Demut
Schon die Parteispenden von Hoteliers an FDP und CSU hatten einen faden Beigeschmack. Statt in Demut den Kopf vor dem Souverän zu neigen, wird immer aggressiver auf den Ärmsten im Lande herumgehackt.
Nachgerade makaber ist die Feststellung des Bundesinnenministeriums in seinem dritten Bericht an den Bundestag über "Externe Mitarbeiter", es gäbe "nur noch wenige Mitarbeiter von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden" in Ministerien. Dass es sie überhaupt noch gibt, ist unglaublich. Was ist mit befristeten Arbeitsverträgen, was mit Beraterverträgen? Warum werden Unsummen für externe Kräfte ausgegeben, die den Mitarbeitern der Ministerien beibringen, wie sie zu arbeiten haben? Sitzen die Fachleute gar nicht in den Ministerien, sondern in Anwaltskanzleien? Weg mit dem Staat, her mit der Expertokratur
Wer mit dem Finger auf Griechenland zeigt, sollte sich an die eigene Nase fassen. Es sei denn, es käme jemand auf die Idee ein Gesetz zu verabschieden, das "Rent-a-politician" zu einem legalen Rahmen verhilft.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de