Das Bambi zeigt Zähne Röslers Rochade geht vorerst auf
14.05.2011, 10:29 Uhr
Unmittelbar nach Röslers Wahl zum neuen Parteichef.
(Foto: dpa)
Der angeblich so sanfte Herr Rösler bringt die FDP auf Linie und setzt sein Personalpaket durch. Eine erwartete Abrechnung bleibt aus. Die Liberalen geben ihrem neuen Parteichef mit einem sensationellen Wahlergebnis einen großen Vertrauensvorschuss, den Rösler nun einlösen muss.
Wie ist Philipp Rösler für sein Personalpaket gescholten worden: Der sanfte Herr Rösler, der lächelnde Arzt, ein Bambi, mit Beißhemmung, kann sich nicht gegen die Altgedienten in der FDP durchsetzen. Rainer Brüderle auf dem Chefsessel der Fraktion, Birgit Homburger stellvertretende Parteivorsitzende, Guido Westerwelle und Dirk Niebel bleiben Minister und im Präsidium. Das klingt nicht nach Neuanfang, sondern riecht nach aufgezwungenem Kompromiss und Notlösung. Doch sollten sich Röslers Kritiker nicht von ihren Nasen täuschen lassen: Zum einen hat Rösler auf dem Parteitag bewiesen, dass er strategisch geschickt seine personellen Vorstellungen durchsetzen kann. Zum anderen könnte das Umtopfen führender Köpfe sich für die FDP und ihren Vorsitzenden als Gewinn erweisen.
Viel ist spekuliert worden über das Ventil, das der Unmut der Partei sich suchen wird. Wen würde der Ärger angesichts der desolaten Lage der Liberalen treffen? Wer mit einem schlechten Ergebnis abgestraft? Noch unmittelbar bis zur Wahl der FDP-Führungsspitze machten Gerüchte über Warnschüsse die Runde. Doch passiert ist nichts. Weder gab es Kampfkandidaturen auf dem Parteitag in Rostock noch bekam ein Vertreter der alten Führungsspitze ein richtig mieses Ergebnis. Homburgers 66 Prozent sind zwar schlecht, doch hätte es noch schlimmer kommen können, wenn sie etwa im ersten Wahlgang gescheitert wäre. Nein, abgestraft wurde mit dem hessischen FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn ausgerechnet einer der stärksten Kritiker der alten Führung um Guido Westerwelle. Der Dämpfer für den Dauernörgler dürfte auch ein Signal an andere Kritiker sein. Rösler wurde mit stolzen 95 Prozent auf den Schild der Partei gehoben. Ein Traumergebnis, das nur knapp unter dem von Westerwelle 2009 liegt.
Verantwortlich für diesen harmonischen Ablauf ist zum einen das Personalpaket, das die wichtigsten Flügel und Landesverbände in der Partei zufrieden stellt. Rösler hat sie alle eingebunden, zufriedengestellt, und ihnen damit den Anlass für eine Revolte entzogen. Zum anderen hat eine geschickte Parteitagsstrategie dafür gesorgt, dass sich der Ärger nur sehr begrenzt Luft machen konnte. Rösler hat Homburgers Wahl von Anfang an mit seinem Namen verknüpft - und wer will schon den frisch gewählten Parteichef gleich beschädigen? Die Aussprache über die Fehler der FDP wurde nach der rührseligen Abschiedsrede Westerwelles angesetzt. Da verloren auch die schärfsten Kritiker ihre Beißlust. Einem politisch Gescheiterten wollte niemand nachträglich noch einen ordentlichen Tritt verpassen.
Auch mal der Kanzlerin die Stirn bieten
Rösler neue Führungsspitze ist zudem tatsächlich eine Mischung aus Jungen und Alten, Wirtschafts- und Sozialliberalen, alten und neuen Köpfen. Der Verbleib Homburgers an der Parteispitze ist ein Zugeständnis an den mächtigen baden-württembergischen Landesverband. Brüderle hat mit der Bundestagsfraktion sein eigenes Spielfeld bekommen, in dem sein Schaumburger Kreis sowieso den Ton angibt. Bleibt der ehemalige Wirtschaftsminister loyal, könnte er sich zudem als Gewinn erweisen, der die Fraktion führt und in wichtigen Debatten auch mal der Kanzlerin die Stirn bieten kann. Und Holger Zastrow, Elke Hoff, Patrick Döhring - man darf gespannt sein, was von den neuen Gesichtern in der ersten Reihe zu erwarten ist. Alle drei haben mit guten Ergebnissen einen Vertrauensvorschuss der Partei bekommen.
Den hat auch FDP-Chef Rösler. Mit seinem Anti-Westerwelle-Stil - selbstironisch, verbindlich, auf Konsens bedacht - konnte er seine Partei überzeugen. Ihm zuliebe haben die Liberalen auch seine personelle Neuaufstellung akzeptiert, es ist ein Wechsel auf die Zukunft der FDP. Den muss Rösler nun einlösen und vor allem inhaltlich endlich zeigen, wohin er die Partei führen will. Die Richtung muss sein: aus dem Keller. Noch wohnt dem Neubeginn ein Zauber inne. Gemessen wird aber auch Rösler nur an knallharten Ergebnissen, mit der Stimmung muss es aufwärts gehen. Bleibt der Erfolg aus, wird die FDP wieder nach Schuldigen suchen.
Quelle: ntv.de