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Zwischenruf 353 Sehnsucht nach Gerd

Von Manfred Bleskin

Da hat er ihr’s aber gegeben, der Franz. Der Gerd, das war noch ein Kanzler, der hat das Ganze gesehen, aber Angela Merkel macht Parteipolitik. Nun hat Gerhard Schröder vielleicht nicht das Ganze gesehen, sicher aber einen großen Teil davon. Wozu die eigene SPD nicht notwendigerweise gehörte. Dafür haben ihn Partei und Gewerkschaften dann auch fallen lassen.

Insofern ist die Bundeskanzlerin der bessere Machtmensch als ihr Amtsvorgänger, der schließlich lernen musste, dass der Krug solange zu Wasser geht, bis er bricht. Angela Merkel ist nicht nach Badengehen zumute, zumal es auch an Leine, Isar und Main Schwimmmeister gibt, die der Regierungschefin – sollte ihr das Wasser einmal Oberkante Unterlippe stehen – keinen Rettungsring zuwerfen würden.

Doch noch steht die CDU-Vorsitzende fest auf der Brücke und steuert zunächst einmal Heiligendamm an, wo sie sich mit den Großen dieser Welt zu einem Gipfel trifft, dessen Sinn und Zweck der Vizekanzler – nicht zu Unrecht – in Frage stellt. Frau Merkel sonnt sich im Glanz sinkender Erwerbslosenzahlen, zu deren Entstehen sie so rein gar nichts beigetragen hat. Bei der Union blättert zwar auch etwas Lack ab. So liegen CDU/CSU der aktuellen n-tv/forsa-Umfrage zufolge bei 36 Prozent der Wählerstimmen, zwei Punkte weniger als in der Vorwoche. Aber die Sozialdemokraten rangieren ganze zehn Prozentpunkte dahinter.

Da muss etwas geschehen, sagen sich die sozialdemokratischen Granden. Und es geschieht ja auch schon etwas, seit geraumer Zeit: Parteichef Kurt Beck entdeckt Friedenspolitik als Thema wieder. Seine designierte Stellvertreterin Andrea Nahles macht die erstaunliche Entdeckung, dass die Rente mit 67 Nonsens ist, solange Menschen über 50 nur geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben (sic!). Nur überzeugt die verbale Rückbesinnung auf Uraltwerte nicht so richtig. Dafür sitzt der SPD der Linksteufel im Nacken, der laut forsa munter 12 Prozent der Stimmseelen einsackt.

Franz Müntefering ist der Trompeter von Sickingen, der seinen Parteimitgliedern nun sorgenvoll die Frage stellt, ob sie Hundsfötter sein wollen. Er stößt ins Horn und bläst zum Angriff. War das manchmal schon etwas schräg anmutende öffentliche Einvernehmen zwischen der Kabinettschefin und ihrem Vize der stabilisierende Kiel des Regierungskahns, so gerät das Schiff nun ins Schwanken.

Spätestens am 18. Juni, bei der nächsten Koalitionsrunde, werden die Wellen hochschlagen. Da geht’s dann um eine Ausweitung des Mindestlohns auf möglichst viele Branchen, gegen den Christdemokraten und – soziale einen hohen Deich errichtet haben. Vielleicht streicht Müntefering dann sogar die Segel und verlässt das leckgeschlagene Schiff. Seine SPD aber wird an Bord bleiben und bis zum Ende der Legislaturperiode versuchen, die Klippen zu umschiffen. Allein: Wenn das Boot dann doch das rettende Ufer erreicht, wird’s dem Kapitän zugeschrieben und nicht dem Schiffsjungen.

Quelle: ntv.de

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