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Falscher Jubel Sesamstraße statt Tsunamialarm

Von Hommy Dara

Der Tsunamialarm von Donnerstagmorgen in Indonesien war nur ein Alarm. Passiert ist nicht viel. Ein Opfer gibt es dennoch zu beklagen: die Wahrheit. Indonesiens Politiker rühmen sich damit, wie perfekt ihr Warnsystem doch arbeite, und dass der 26. Dezember 2004 nun endlich Vergangenheit sei. Wahr ist lediglich, dass das Warnsystem tatsächlich angeschlagen hat.

Lange bevor Radio- und Fernsehstationen allerdings vor der Gefahr warnten, waren längst keine Menschen mehr in Strandnähe. Und das aus gutem Grund. Denn das Beben selbst war die Warnung an die Bürger. Im Gegensatz zu dem verheerenden Tsunami vom zweiten Weichnachtstag 2006 konnte das Beben nämlich in bewohnten Teilen des Inselreiches überdeutlich gespürt werden. Nachrichtenagenturen berichten, Menschen seien panisch auf die Straße gelaufen und hätten sich geistesgegenwärtig auf höher gelegene Gebiete begeben. Das ist keineswegs dem Tsunamiwarnsystem zu verdanken, sondern bestenfalls der Gnade der Natur.

Einer Katastrophe wie vor zweieinhalb Jahren ist insbesondere Indonesien - als Inselreich - weiterhin vollkommen schutzlos ausgesetzt. Denn jenes Beben im Indischen Ozean, das eine Stärke von bis zu 9,5 auf der Richterskala hatte, war ein so genanntes "stilles Beben". Es war nirgendwo für Menschen zu spüren gewesen. Auf dem Meeresgrund rissen sich allerdings Krater auf, die Unmengen an Wasser verschluckten und die Welle des Todes auslösten. Rund 230.000 Menschen verloren ihr Leben.

Wäre nämlich - und das ist der Punkt, wo die Wahrheit abgewürgt wurde - das Beben am Donnerstag nicht spürbar gewesen, könnten Hunderte, wenn nicht gar Tausende Opfer heute zu beklagen sein. Im staatlichen indonesischen Fernsehen lief sogar eine Viertelstunde nach den Erdstößen unbehelligt die Sesamstraße. Erst dann wurde das Programm unterbrochen. Kleiner Lichtblick: Die Moderatorin forderte die Kinder auf, schnell ihre Eltern vor das Fernsehgerät zu holen.

Indonesien, ein bitterarmes Land, kann sich nicht mal leisten, seine Kinder gegen die Vogelgrippe impfen zu lassen. Wie sollte eine Informationsinfrastrukur aufgebaut werden, die Menschen im Notfall auch erreicht? Denn die Information ist häufig sehr schnell vorhanden; nur der Weg zum Bürger ist das Problem. Da gäbe es tatsächlich einen Weg, der erschwinglich wäre, sagen Wissenschaftler: Ein Tsunamiwarnsystem in Moscheen. Keine Diskothek in Indonesien hat stärkere Lautsprecher als eine Moschee. Die Aufrufe zum Gebet, sind teilweise über Kilometer zu hören. Die größte islamische Nation der Welt beherbergt etwa 40.000 solcher Gotteshäuser.

Ginge es nicht um Menschenleben, wäre die Argumentation einiger Kleriker zum Schreien komisch. "Ein Tsunamialarm, kann ein falscher Alarm sein. Wer allerdings eine Lüge verbreitet, der wird von Allah bestraft!" Der Fairness halber muss gesagt werden, dass dies wirklich nur eine Minderheit ist, die allerdings eine Mehrheit davon abhält, eine einheitliche Entscheidung zu fällen. Versuche haben nämlich gezeigt, dass die Warnungen per Lautsprecher aus Gotteshäusern sehr effizient sein könnten. Der Regierung sind die Hände gebunden, weil sie sich auf keinen Fall mit den Vertretern Gottes anlegen will.

Während die einen sich Gedanken über Gott und Fehlalarme machen, sitzen in Berlin Leute im Bundesforschungsministerium, die das Rad neu erfinden wollen. Vor zwei Jahren priesen sie das "deutsche Tsunamiwarnsystem" an, das der "Mercedes" unter den Warnsystemen sein sollte. Heute ist es der Gipfel der Peinlichkeit. Nicht wenige Wissenschaftler meinen, man sollte das ganze Projekt unter dem Punkt Erfahrung verbuchen. Eine teure Erfahrung für den Steuerzahler: Mindestens 50 Millionen Euro wurden bereits in den Sand gesetzt. Besonders grotesk: Das deutsche System enthielt nie Ideen, wie die Bevölkerung erreicht werden kann. Wäre das den Wissenschaftlern von Colorado und Hawaii am 26.12.2004 gelungen, wäre dieser Kommentar heute überflüssig.

Quelle: ntv.de

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