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Zwischenruf Silberstreifen am Horizont

Von Manfred Bleskin

Ein jeder Trucker kennt sie, diese Verkehrsschilder: Sackgasse, keine Wendemöglichkeit für Lkw. George W. Bush kennt das Schild sicher auch, allein: Er hat es nicht beachtet, als er mit 100 mph den "lost highway" in Richtung Bagdad einschlug. Nun, da allenthalben das Wort von der Vietnam-ähnlichen Niederlage an Euphrat und Tigris die Runde macht, versucht der Große Steuermann, eine Wende in der Region herbeizuführen. Auf seine Weise, versteht sich.

Einerseits schickt die US-Administration immer mehr Soldaten in den Irak. Dann entsendet Washington zwei Flugzeugträger in die Golfregion und bastelt an einer neuen UN-Sicherheitsratsresolution, die dem Iran im Atomstreit weitere Sanktionen auferlegen soll. Andererseits erklären sich die USA bereit, an den von der irakischen Regierung vorgeschlagenen Friedenskonferenzen teilzunehmen, bei denen auch Syrien und der Iran am Tisch sitzen. Trotz der Beteuerung von Außenministerin Condoleezza Rice, bilaterale Gespräche mit den beiden "Schurkenstaaten" werde es nicht geben, wird es sie doch geben. Nur öffentlich machen wird man sie vielleicht nicht. Allein schon die Präsenz am Verhandlungstisch ist ein positives Zeichen, selbst, wenn zur gleichen Zeit die Waffen weiter sprechen sollten.

Mit der Ankündigung von Irans Staatschef Mahmud Ahmadinedschad, er werde vorher noch zu König Abdullah bin Abd al-Aziz nach Riad reisen, wachsen zugleich die Hoffnungen auf Entspannung zwischen den beiden großen Rivalen am Golf. Schließlich ist unstrittig, dass der Iran die schiitischen Milizen im Irak unterstützt und Saudi-Arabien mit einem militärischen Engagement zugunsten der irakischen Sunniten gedroht hat. Die Saudis fürchten im Zweistromland die Errichtung eines schiitischen "Gottesstaates" und die Teheraner Nuklearambitionen. Der Iran ist klug genug zu begreifen, dass er seine Position als Regionalmacht nicht gegen, sondern nur neben oder besser mit dem immer noch mächtigen Wahhabiten-Regime festigen kann. Darum wird der Iran auf eine saudische Beteiligung an den Irak-Konferenzen drängen.

Es gibt also Silberstreifen am dunklen Horizont über Nah-und Mittelost. Freilich bleiben bei einer möglichen Entspannung im Irak und der Region – neben vielen anderen Fragen – zwei Probleme ungeklärt. Da sind die internationalen Terrorgruppen vom Schlage einer El Kaida, die sich einen Scheitan um staatliche Abmachungen scheren. Und da ist der israelisch-palästinensische Konflikt, ohne dessen Beendigung es im Morgenland keinen Frieden gibt. Wenn aus dem Silberstreifen kein hell leuchtender Bethlehem-Stern wird, dann bleiben die blutigen Schatten. Und ohne helles Licht wird Trucker Bush keinen Ausweg aus der "dead end street" finden.

Quelle: ntv.de

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