Zwischenruf Sparen, aber an der richtigen Stelle!
11.05.2012, 15:47 UhrDie Front der Befürworter eines Fiskalpaktes bröckelt. Auch die Bundesregierung denkt offenbar darüber nach, die Abstimmung im Parlament zu verschieben. Sparprogramme müssen durch Wachstumsprogamme ergänzt werden.
Mit seinem "strikten Nein" zu Nachverhandlungen über den Fiskalpakt wird Bundesaußenminister Guido Westerwelle mit ein paar Getreuen allein auf weiter Flur bleiben. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel hält sich mit ihrer Absage an ein "Wachstum auf Pump" zurück. Da bleibt Verhandlungsspielraum. Hinter eine rigorose Ablehnung kann man nur um den Preis des Gesichtsverlusts zurück. Die Gegner des strikten Sparkurses verspüren Aufwind, seit sich in Frankreich mit François Hollande ein linker Sozialdemokrat auf den Einzug in das Palais d’Élysée vorbereitet.
Doch es ist keinesfalls nur Frankreich, das nach einem Wachstumsprogramm ruft. Die oppositionellen Sozialisten Portugals, die das Sparprogramm mit der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds aushandelten, pirschen sich an eine Kehrtwende heran. In Spanien werden sogar in der regiereden konservativen Volkspartei Stimmen laut, die nach Wachstumsimpulsen verlangen. Der Ausgang der Volksabstimmung in Irland Ende Mai wird Auskunft darüber geben, ob der Fiskalpakt in seiner jetzigen Form auch dort keine Chance hat. Der mögliche Aufschub der Abstimmung im Deutschen Bundestag lässt erkennen, dass auch in der Koalition neu nachgedacht wird.
Es ist eine ökonomische Binsenwahrheit, dass Sparen auf Dauer kein Wachstum erzeugt. Griechenland ist das beste Beispiel. Geht es so weiter wie bisher, werden Armut und Unzufriedenheit weiter zu-, der Konsum weiter abnehmen. Impulse für einen Wirtschaftsaufschwung sehen anders aus. Was Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für den Süden der EU als lobenswerte "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes" drapiert, ist nichts anderes als die Erleichterung von "hire & fire".
Sparen ja, aber an der richtigen Stelle
Man muss die Angst mancher Linker und Grüner vor einem abermaligen Militärputsch in Hellas nicht teilen. Besorgniserregend aber ist, dass solche Szenarien diskutiert werden. Schäubles Einlassung, "private Nachfrage und damit Wachstum lassen sich am besten dadurch stärken, dass man für Vertrauen der Konsumenten und Investoren in die öffentlichen Finanzen wirbt", ist schlichtweg falsch. In Deutschland liegt die Binnennachfrage trotz einigermaßen solider Staatsfinanzen weit unter dem europäischen Durchschnitt.
Den Banken wurden und werden Unsummen an Rettungsgeldern zugeschanzt. Die Staatsschuldenkrise in der EU ist deshalb auch eine Folge der Bankenkrise. Parallel zu verringerten Zahlungen für den Etat sollten dort, wo erforderlich, Mittel für nationale Arbeitsbeschaffungsprogramme bereitgestellt werden. Zugleich müssen Exportmeister wie Deutschland Ausfuhren stärker unter die Lupe nehmen. Griechenland ist Europas größter Waffenimporteur. Die Bundesrepublik hat an den militärischen Einfuhren einen Anteil von 13 Prozent. Die Militärausgaben Griechenlands liegen mit 4,3 Prozent weit über dem OECD-Durchschnitt. Ein Jahr vor Ausbruch der Krise 2008 drängte die Kanzlerin Berichten zufolge die Regierung in Athen, endlich die Bestellung von 60 Eurofightern zu unterschreiben. Eine Sparpolitik, die nicht zur Verarmung breitester Schichten der Bevölkerung führt, sollte deshalb Bestandteil von Nachverhandlungen zum keineswegs überflüssigen Fiskalpakt sein. Mit anderen Worten: Sparen? Na klar doch! Aber eben an der richtigen Stelle.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de