Zwischenruf Steigbügelhalter Medwedew
17.06.2009, 19:00 UhrIrans Präsident Ahmadinedschad wollte durch seine Teilnahme am Gipfel der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit im russischen Jekaterinburg beweisen, dass er trotz der andauernden Demonstrationen fest im Sattel sitzt, schreibt Manfred Bleskin.

Die Begrüßung Ahmadinedschads durch Russlands Präsidenten Medwedew in Jekaterinburg fiel betont freundlich aus.
(Foto: dpa)
Wenn ein Staatschef bei Massenprotesten gegen sein Regime im Ausland weilt, gibt es zwei mögliche Gründe: Angst vor den Protesten oder Demonstration von Stärke. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad wollte durch seine Teilnahme am Gipfel der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im russischen Jekaterinburg beweisen, dass er trotz der andauernden Demonstrationen fest im Sattel sitzt. Gastgeber Dimitri Medwedew erwies sich dabei als Steigbügelhalter. Die betont freundliche Begrüßung in der Stadt am Ural ließ keinen Zweifel, dass Moskau weiter auf Ahmadinedschad setzt. Wie auch Peking. Kritik am Wahlausgang gab’s nicht. Die Aufforderung von Medwedew und seines chinesischen Amtskollegen Hu Jintao an Teheran im Atomstreit auf Dialog zu setzen, stärkt Ahmadinedschad den Rücken auch auf internationaler Ebene.
Der Iran hat in der SCO Beobachterstatus. Wie jetzt auch Belarus, trotz oder besser wegen des anhaltenden Streits um die Annäherung an die EU. Auch Sri Lanka nimmt jetzt wie zuvor schon Indien, Pakistan und die Mongolei als Beobachter teil. Vollmitglieder sind neben Russland und China Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan sowie Tadschikistan. Am Rande des Gipfels trafen sich die Führer der so genannten Bric-Staaten: Brasilien, Russland, Indien und China.
Der Iran ist mithin eingebettet in Strukturen, die sich einerseits als Gegenpol zu NATO begreifen und zugleich ihre ökonomischen Bande festigen. Laut ertönte der Ruf, den Dollar als Haupt-Reservewährung und Rechnungseinheit im internationalen Handel abzulösen. Präsident Barack Obama kennt die Bedeutung der SCO. Die Vereinigten Staaten agieren im inneriranischen Konflikt auch deshalb betont zurückhaltend. Obamas Amtsvorgänger hatte "dem Volk des Iran" versichert, die USA würden sich im Falle einer Erhebung an seine Seite stellen. Obama weiß: Ohne Normalisierung der Beziehungen zum Iran … keine Ruhe in Nah- und Mittelost. Und in Afghanistan. Nicht zufällig nahm dessen Staatsoberhaupt Hamid Karsai an den Beratungen in Jekaterinburg teil.
Barack Obama sagt auch unumwunden, dass es eigentlich keinen großen Unterschied zwischen Ahmadinedschad und dessen Herausforderer Meir-Hossein Mussawi gibt. Welch ein Unterschied aber zur Reaktion in Berlin. Die Einbestellung des iranischen Botschafters ins Auswärtige Amt – eine der scharfen Klingen im diplomatischen Florettkampf – hat nur zu einer analogen Reaktion in Teheran geführt. Deutschland sollte sich darauf einstellen, dass das iranische Regime so rasch nicht kippt. Und weiter in der SCO mitmacht. Gleich, ob der Präsident Ahmadinedschad oder Mussawi heißt.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de