Zwischenruf Syrien: Wellen lenken?
30.03.2011, 19:17 UhrDer Präsident spricht zum Volk. Einer ausländischen Verschwörung sieht sich Syriens Herrscher Assad gegenüber, der Notstand bleibt. Nichts Neues also. Doch: Wenn die Welle in Syrien ankommt, soll das Volk sie lenken. Dass das nicht geht, müsste Assad eigentlich wissen.
Wer von der Rede des syrischen Präsidenten Großes erwartet hatte, wurde enttäuscht. Baschar al-Assad sprach, wie es auch andere arabische Herrscher vor ihm taten und tun, von einer "ausländischen Verschwörung", der man sich gegenübersehe. Nicht einmal den seit knapp fünf Jahrzehnten bestehenden Ausnahmezustand beendete der Mann, dessen Familie das Land nun schon seit rund 40 Jahren regiert. Der Rücktritt der Regierung ist ein Ventil, durch das sich aber nur wenig Unzufriedenheit Luft machen wird. Das Wort vom zweiten Damaszener Frühling dürfte erst einmal vom Tisch sein.
Baschar, Sohn seines "Löwe von Damaskus" genannten Vaters Hafiz al-Assad, hatte schon bei seinem Amtsantritt nach dessen Tod im Jahre 2000 eine politische und wirtschaftliche Öffnung des Regimes angekündigt. Seither hat sich wenig getan.
Die Angehörigen des Assad-Clans sind Alawiten, einer Glaubensrichtung innerhalb der Schia. Dieser geheimbündlerisch anmutenden Konfession gehört auch die Elite von Armee, Geheimdienst und Baath-Partei an, welche - in dieser Reihenfolge - die Hauptstützen des Systems darstellen. Die Mehrheit der Bevölkerung allerdings sind Sunniten. Auch die Demonstranten im südsyrischen Dera'a bekennen sich mehrheitlich zur Sunna. Das macht es leicht, Oppositionelle als "fundamentalistische Sunniten" zu brandmarken.
Formal ist Syrien kein Einparteiensystem. Die regierende Baath-Partei ist mit vier anderen Partei in einem Nationale Fortschrittsfront genannten Block vereint, darunter auch einer der zwei kommunistischen Parteien des Landes. Die Front hat zwar keinen Einfluss auf politische Grundsatzentscheidungen, verleiht dem Regime aber den Anschein von Pluralität.
Al-Assad sprach von einer Welle, die durch die arabische Welt gehe. Sollte sie nach Syrien überschwappen, wolle "das syrische Volk" die Welle lenken. Noch sind höchstens Ausläufer der Welle angekommen. Wenn sie aber kommt, wird's eng. Dass sich Wellen nicht lenken lassen, müsste der in London ausgebildete Augenarzt eigentlich wissen.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de