Zwischenruf "Targeted killing"
10.07.2007, 17:35 UhrVon Manfred Bleskin
Es ist immer wieder erstaunlich, wie in dieser Republik in so sensiblen Fragen wie der Sicherheit ihrer Bürger Regierungspolitik gemacht wird. Da hat’s nicht etwa eine Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin, sondern der Bundesinnenminister gibt über die Presse bekannt, was ihm so vorschwebt.
Nach unzähligen Maßnahmen, die zum Schutz vor Terrorismus bereits ergriffen wurden oder noch werden sollen, nun der Vorschlag von Wolfgang Schäuble, Terroristen gezielt zu töten. Das umschreibt er mit dem für deutsche Ohren nicht ganz so schlimm klingenden englischen "targeted killing". Seine Chefin kanzelt ihn zwar ab, aber sie distanziert sich nicht klar. So bleibt ein heimliches "Ist-doch-nicht-so-schlimm" im Raum stehen. Das darf der Gescholtene getrost als eine Aufforderung zu einem "Nur-weiter-so" interpretieren.
An die hundert potentieller Attentäter sind in Deutschland bekannt. Und wie Schäuble richtig sagt, können sich spontan und kurzfristig immer neue Gruppen zusammenfinden, die vor nichts zurückschrecken. Aber es gibt nicht einmal eine hinreichende Zahl von Polizeibeamten, die bereits Erfassten rund um die Uhr zu überwachen. Statt die Polizei personell so auszustatten, dass sie dieser Aufgabe gerecht werden kann, wird immer mehr Personal eingespart. "Gezieltes Töten" als Mittel zur Senkung der Personalkosten?
Wolfgang Schäuble macht keine Vorschläge, die konsensfähig sind, sondern polarisieren. Die riesengroße Ablehnungskoalition reicht vom bayerischen CSU-Innenminister und den SPD-Bundestagsfraktionschef über den FDP-Vorsitzenden bis in die Spitzen von Linken und Grünen. Auch Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach, sonst in Sachen "innere Sicherheit" eher Vorreiter einer schärferen Gangart, hält sich zurück. Geht es Schäuble um die Lufthoheit über die öffentliche Diskussion? Will er den Bruch der Großen Koalition befördern? Oder sind seine Ideen gar heimliches Ziel von Teilen der CDU?
Die Todesstrafe ist in Deutschland verboten, aber ein Minister, der auf das Grundgesetz eingeschworen ist, verkündet öffentlich, dass der Staat doch töten sollte. Attentäter haben keine Skrupel Menschen zu ermorden. Ein demokratisches Staatswesen aber, das das Wohlergehen seiner Bürger auf diese Weise sichern will, gibt sich selbst auf. Schäubles Vision vom "gezielten Töten" kann nur Wirklichkeit werden, wenn das Grundgesetz gezielt getötet wird.
Quelle: ntv.de