Zwischenruf Tibet: Dem Kaiser, was des Kaisers ist
22.11.2011, 17:16 UhrDer "Premierminister" der international nicht anerkannten tibetischen Exilregierung ist auf Europatour, nun kommt er nach Deutschland. Das als Autonomes Gebiet zu China gehörende Tibet war zuletzt durch Selbstverbrennungen in die Schlagzeilen geraten. Ein Machtwort ist nötig.
Selbstverbrennungen sind in Politik und Religion wohl das äußerste Mittel, auf Zustände aufmerksam zu machen, mit denen man nicht einverstanden ist, ohne anderen Menschen körperlichen Schaden zuzufügen. Radikal und konsequent, bis hin zur Selbstaufgabe, bis hin zur Opferung des eigenen Lebens. Selbstverbrennung kann auch Ausdruck absoluter persönlicher Verzweiflung sein und zum Auslöser politischer Umwälzungen werden. Heute schon fast vergessen ist der unmittelbare Anlass für die Umwälzungen in der arabischen Welt: Der junge Tunesier Mohammed Bouazizi nahm sich mit Feuer selbst das Leben, nachdem ihm die Behörden eine Genehmigung zum Gemüseverkauf wiederholt verweigert hatten. Mit dem Gemüseverkauf hielt er seine Familie über Wasser.
Ähnliches soll offenbar auch der Freitod der zwei Nonnen und neun Mönche in Tibet bewirken. Wenn "Regierungschef" Lobsang Sangay in Bern die Schweizer Regierung auffordert, zu den Selbstverbrennungen Stellung zu nehmen, impliziert dies das Verlangen, Peking dafür verantwortlich zu machen. Kaum an Zynismus zu überbieten sind Äußerungen Sangays im Deutschlandfunk. Er und der Dalai Lama hätten sich immer wieder dagegen ausgesprochen, aber wenn "sie zu diesem Äußersten" schritten, dann läge es "an uns als ihren tibetischen Landsleuten, Verantwortung und Solidarität zu zeigen". Schließlich sei "ja der Hauptgrund für diese Aktionen die unterdrückerische Politik der chinesischen Regierung …". Und weiter: "Wir heben das ins Bewusstsein, weshalb die Menschen zu solchen Taten schreiten."
Wenn der Einfluss des Dalai Lama wirklich so groß ist wie immer behauptet, würde ein einziges Wort genügen, um den Selbstverbrennungen ein Ende zu machen. Gestattet sei die Frage, warum – wie bei dem jüngsten Fall einer Nonne – eine Handykamera parat ist, deren Besitzer die Bilder dann unter "Lebensgefahr" außer Landes bringt. Es ist hohe Zeit, dem Treiben ein Ende zu bereiten. China sollte Repressalien gegen Geistliche beenden und der Religionsausübung keine Schranken setzen: "Gebt dem Kaiser zurück was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist". (Mk, 12,17). Und die Exiltibeter sollten ein Machtwort sprechen, um den Selbstmorden ein Ende zu bereiten.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de