Zwischenruf US-Außenpolitik kein Grund zum Feiern
23.03.2010, 16:47 Uhr
Obama erhielt 2009 - nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt - überraschend den Friedensnobelpreis.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Barack Obama Lenin gelesen hat. Und wenn, dann hat er ihn falsch verstanden. Der russische Revolutionsführer verstand das Diktum "einen Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück" als Taktik zur Verwirklichung einer Strategie. Für den US-Präsidenten hingegen ist das Lavieren in der Außenpolitik zur strategischen Methode geworden.
Im Nahen und Mittleren Osten wollte Obama spätestens mit seiner Rede in Kairo eine Wende einleiten. Doch seit Juni des vergangenen Jahres ist praktisch nichts passiert. Wegen des geplanten Siedlungsbaus in Ost-Jerusalem ist das Verhältnis zu Israel einigen Spannungen ausgesetzt. Im selben Atemzug werden weder der Präsident noch seine Außenministerin müde, die felsenfeste Freundschaft zu Israel zu beschwören. So wird der Nahostfriedensprozess nicht wieder in Gang kommen. Obamas Amtsvorgänger George W. Bush hatte zwar die Rolle des angeblich "ehrlichen Maklers" zugunsten Israels aufgegeben. Doch nach Anfangsschwierigkeiten passte kein Blatt Papier zwischen Jerusalem und Washington. Obama droht, es sich mit Palästinensern wie mit Israelis zu verscherzen.
Schritt in die falsche Richtung
Das Verhältnis zu Russland schien nach der Abkehr von den Plänen zur Errichtung von Teilen eines Raketenabwehrschildes in Polen und Tschechien auf dem Wege der Besserung. Nachdem bekannt wurde, dass die Vereinigten Staaten das Vorhaben keineswegs aufgegeben und sich Rumänien als neuen Standort ausgesucht haben, wird es wieder frostig zwischen Moskwa und Potomac. Russland empfindet die Absichten unverändert als Bedrohung, auch wenn jüngst ein Test des Schildes kläglich scheiterte.
Auch die Beziehungen zu China gestalteten sich zunehmend entspannter. Bis ein sechseinhalb Milliarden Dollar schwerer US-Waffendeal mit Taiwan publik wurde. Unter den Käufen befinden sich auch konventionelle "Patriot"-Mittelstreckenraketen. Dabei handelt es sich just um jenes System, das die US Army ab April in 60 Kilometer Entfernung an der Grenze zwischen Polen und der russischen Exklave Kaliningrad, früher Königsberg, dislozieren will. Falls Russland dann als Antwort "Iskander"-Flugkörper in Kaliningrad stationiert, würde ein klassisches Szenario des Kalten Krieges unfröhliche Urständ’ feiern. Ein Grund, den Friedennobelpreisträger zu feiern wäre das allerdings nicht. So kommt man keinen Schritt vorwärts, aber ganz sicher einen Riesenschritt zurück.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de