Kommentare

Zwischenruf Ukraine: Das Prinzip Hoffnung

Die ehemalige Hoffnungsträgerin Julia Timoschenko hat das Vertrauen der Ukrainer verspielt. Bei den Kommunalwahlen muss ihre Partei eine Niederlage einstecken. Hoffnungen weckt stattdessen Staatspräsident Viktor Janukowitsch. Wie lange, ist fraglich.

Julia Timoschenko hat das Vertrauen der Ukrainer verspielt.

Julia Timoschenko hat das Vertrauen der Ukrainer verspielt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Er soll es richten: Staatspräsident Viktor Janukowitsch.

Er soll es richten: Staatspräsident Viktor Janukowitsch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Obwohl das amtliche Endergebnis der Kommunalwahlen in der Ukraine noch nicht vorliegt, besteht am Ausgang kein Zweifel: Sieg der Partei der Regionen von Staatspräsident Viktor Janukowitsch, Niederlage der Vaterlandspartei von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Deren Partner bei der orangefarbenen "Revolution" und Amtsvorgänger Janukowitschs, Viktor Juschtschenko, spielte bei dem Urnengang überhaupt keine Rolle mehr.

Das Votum für Janukowitsch ist Ausdruck des Prinzips Hoffnung: Wirklich gebessert hat sich Lebenslage der knapp 46 Millionen Einwohner des Landes nicht. Die Wirtschaft hat gerade einmal 60 Prozent ihrer Produktion des Jahres 1989 erreicht, die Preise für Lebensmittel sind stark gestiegen. Die Inflation schwankt um elf Prozent. Das ist die höchste Rate aller Mitglieder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.

Die bis dato als Block Julia Timoschenko angetretene Partei "Batkiwschtschyna", Vaterland, liegt mit mehr als 13 über den mageren zehn Prozent, die ihr in Umfragen vorausgesagt worden waren. Dass die einstige "Gasprinzessin" der Ukraine schon vorher von Wahlmanipulation sprach, muss deshalb nicht verwundern. Auch nicht verwunderlich ist, dass ihre Anhänger nicht - wie angekündigt - auf die Straße gegangen sind. Hatten doch die Massen, die ihr 2004/2005 auf den "Nezalezhnosti Majdan" in Kiew gefolgt waren und den damaligen Wahlbetrüger Janukowitsch stürzten, große Hoffnungen in sie gesetzt. Die Hoffnungen hat die reichste Frau des Landes gründlich enttäuscht. Hoffnungen, wie sie Janukowitsch jetzt immer noch wecken kann. Wie lange, ist fraglich. Die engere Kooperation mit Russland, namentlich im Energiebereich, verschafft dem Magnaten aus der Ostukraine angesichts des bevorstehenden Winters etwas Luft.

Bedenkliches Ergebnis für "Swoboda"

Inwieweit Janukowitsch Wahlbetrug zugute gekommen ist, wird nie geklärt. Es wird nicht viel mehr gewesen sein, als von der heutigen Opposition in deren Regierungszeiten. Auch seine autoritären Tendenzen sind nicht bedenklicher als jene zu Zeiten des Duos Juschtschenko/Timoschenko. Sie werden im Westen nur deshalb kritischer wahrgenommen, weil sich Janukowitsch im Unterschied zu seinen Gegnern am Putinschen Modell der "gelenkten Demokratie" orientiert. Wenn die der Hinterziehung von Beträgen in Millionenhöhe und der Bestechung verdächtige Timoschenko davon spricht, dass die Macht in die Hände krimineller Vereinigungen gefallen ist, mag sie nicht Unrecht haben. Nur sind es andere als zu ihrer Zeit.

Bedenklich aber ist, dass die rechtsnationalistische und antisemitische sogenannte Freiheitspartei, "Swoboda", in den westukrainischen Großstädten Lwiw, Ternopil und Iwano-Frankiwsk auf mehr als 30 Prozent kam. Hätten jetzt auch Parlamentswahlen stattgefunden, wäre die eng mit der westeuropäischen "Neuen Rechten" kooperierende Partei erstmals in die Werchowna Rada eingezogen. Es darf als sicher gelten, dass "Swoboda" weiter an Zuspruch gewinnt. Das wäre dann eine tatsächliche und ernste Gefahr für die fragile ukrainische Demokratie oder wie man die dort herrschenden Zustände auch immer nennen mag.

Bleskin.jpg

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen