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Zwischenruf Ungarische Rhapsodie

Der neue Ratspräsident Viktor Orbán verärgert Europa.

Der neue Ratspräsident Viktor Orbán verärgert Europa.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die neue Unternehmenssteuer für Großunternehmen trifft faktisch nur ausländische Konzerne. Das neue Mediengesetz belegt "politisch nicht ausgewogene" Berichte mit hohen Geldbußen. Beides sorgt für einen Aufschrei in Europa. Es ist Zeit, Orbán den Marsch zu blasen.

Die Töne, die dieser Tage aus Budapest zu hören sind, haben wenig mit den sanften Klängen des Meisterwerks des Liszt Ferencz zu tun, den wir besser als Franz Liszt kennen. Nach dem überwältigenden Sieg der rechtsgerichteten FIDESZ-Partei bei den Wahlen im vergangenen Jahr werden jetzt mit dem neuen Mediengesetz die Konturen eines Gesellschaftsmodells deutlich, das postdemokratisch nur ungenau beschrieben ist. Ministerpräsident Viktor Orbán bramarbasiert gern über die Größe der ungarischen Nation und schwadroniert gern "über den spekulativen Kapitalismus". Beides erinnert an die Rhetorik von "Reichsverweser" Miklós Horthy, der die Ungarn als "völkisch-nationale" Gemeinschaft sah und den Juden vorwarf, sie zersetzten die Nation.

Mit der vollständigen Kontrolle über die Staatsmedien und dem Damoklesschwert der Geldstrafen bis zu umgerechnet 900.000 Euro ähnelt die Politik der Regierung Orbán in fataler Weise an den "Berlusconismus" Italiens und die Medienkontrolle, die heute in den drei slawischen Ex-Sowjetrepubliken in unterschiedlicher Ausprägung gang und gäbe ist. Eines der ersten Opfer ist der zur RTL Group gehörende Fernsehsender RTL Klub, dem "reißerische" und "schockierende" Berichterstattung vorgeworfen wird.

Das auf drei Jahre befristete Gesetz über eine Sondersteuer für Unternehmensgewinne ist so angelegt, dass es faktisch nur ausländische Unternehmen treffen kann. Zwar klingt das Geschrei deutscher und österreichischer Konzerne recht heuchlerisch. Sie hatten über Jahre von Steuervergünstigungen und Subventionen profitiert. Und doch ist es schofelig: Die Hilfspakete aus Brüssel hatte das finanziell marode Ungarn bereitwillig angenommen. Es ist lächerlich, wie lange die EU-Kommission die seit dem Herbst vorliegenden diesbezüglichen Klagen von alpenländischer OMV, rheinländischer Rewe und anderen braucht. Es ist nachgerade hanebüchen, wie sich die Union der europäischen Demokratien auf der Nase herumtanzen lässt. Ungarn so als Ratspräsident zu akzeptieren, ist einfach grotesk. Frankreichs Sarkozy hat wenigstens den Mund aufgemacht, Deutschlands Merkel schweigt fein still. Dabei wäre es an der Zeit, Orbán den Marsch zu blasen: Am besten mit dem Schlusssatz von Beethovens Neunter.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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