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Zwischenruf Viel Dreck vor eigener Tür

Clinton legt den Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums vor und erwähnt ihr eigenes Land mit keiner Silbe.

Clinton legt den Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums vor und erwähnt ihr eigenes Land mit keiner Silbe.

(Foto: picture alliance / dpa)

In ihrem jährlichen Menschenrechtsbericht klagen die USA den Umgang mit Minderheiten und der Scientology in Deutschland an. Komisch, das von einem Staat zu hören, der die Menschenrechtslage im eigenen Land außen vor lässt und munter Todesurteile vollstreckt.

Die jährlichen Menschenrechtsberichte des US-Außenministeriums sind eine schlaue Erfindung: Weltweit werden regierungsoffiziell Noten an Andere verteilt. Man selbst bleibt außen vor, weil das State Departement nicht für Inneres zuständig ist. Dabei hat sich gerade in den vergangenen Jahren so viel Dreck vor der eigenen Tür angehäuft, dass es wahrlich genug zu kehren gäbe.

Auch Deutschland kriegt sein Fett ab in dem Bericht, den Amtschefin Hillary Clinton höchstselbst in Washington vorstellte. Zwar würden die Menschenrechte in Deutschland staatlicherseits generell respektiert, aber dann folgt – berechtigte – Kritik am Antisemitismus und anderem Rassismus, Hakenkreuzschmierereien, körperliche Angriffe auf Angehörige von Minderheiten.

So richtig diese Kritik ist, es mutet pharisäerhaft an, wenn sie aus einem Land kommt, dass munter Todesurteile vollstreckt, in dem sich rechtsextremistische Milizen tummeln und die American Nazi Party, nur eine von zahlreichen faschistischen Organisationen, offen unter dem Hakenkreuz auftritt. Von dem Schandfleck Guantanamo und der Tötung von Zivilisten in Afghanistan, Pakistan und im Irak ganz zu schweigen.

Skurril, wenn es um Scientology geht

Wenn in dem Report auch die Diskriminierung der Scientology-Organisation moniert wird, wird’s skurril. Deren verfassungsfeindlichen Ziele sind im Jahresbericht der einschlägigen deutschen Behörde nachzulesen. Einem Verbündeten anzukreiden, dass er eine anti- und undemokratische Gruppierung unterm Deckel hält, ist höchst befremdlich. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass Scientology-Mitglieder Frau Clintons Senatorenwahlkampf mit Spenden bedachten, ein prominentes Mitglied der Sekte Spendendinner für die Demokratische Partei organisierte und ein Promiscientologe sich für seine Hochzeit eine dereinst vom italienischen Faschistenführer Benito Mussolini genutzte Villa auserkor.

Das Außenministerium in Washington sollte sich den sendungsbewussten Bericht künftig sparen und sich im UN-Menschenrechtsrat für Menschenrechte einsetzten. Doch halt: "The land of the free" hatte ja gegen die Gründung des Gremiums gestimmt.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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