Zwischenruf Vom Boden der Realität gelöst
30.10.2008, 15:07 UhrDass die Deutsche Bahn AG macht, was sie will, ist bekannt. Die Mehrheit der Deutschen ist gegen eine Teilprivatisierung dieses Lebensstrangs von Nation und Wirtschaft. Der Termin 27. Oktober wurde nur wegen der Finanzkrise nicht eingehalten, sonst wäre das für den Börsengang vorgesehene Viertel - Wert 14 Milliarden Euro - wohl auch für fünf oder noch weniger Milliarden über den Tisch gegangen. Bahnchef Hartmut Mehdorn scheint das Tohuwabohu auf den Finanzmärkten nicht anzufechten. Er hat jetzt die Deadline Jahresende im Visier. Wenn sich "die Situation ergibt, dann flitzen wir durch", verkündet er unbekümmert. Mehdorn scheint der Einzige auf dieser Welt zu sein, der weiß, wann die Kurse wieder dauerhaft nach oben gehen.
Ihm und seinen Mit-Vorständen war's wohl ohnehin wurscht, wie die Aktie bewertet worden wäre. Die hatten sich völlig losgelöst vom Boden der Realität nach einem wie auch immer gearteten Gang an die Börse Bonuszahlungen in Millionenhöhe bewilligt.
Man stelle sich vor: Da werden die Fahrpreise am laufenden Band erhöht, da wird massenhaft Personal eingespart und monatelang über vergleichsweise lächerliche Lohnerhöhungen gestritten, dann ein Kompromiss erzielt, um anschließend mit schmerzverzerrtem Gesicht zu erzählen, dass die Tickets schon wieder mehr kosten müssen, weil ja die Mitarbeiter jetzt mehr Geld bekommen. Das Wort Raffgier erscheint für so etwas zu schwach. Unglaublich, dass ein Mann wie Werner Müller, unter Gerhard Schröder vier Jahre Wirtschaftsminister und jetzt im Hauptberuf Chef der Essener Evonik Industries, das Ganze in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Bahnaufsichtsrats auch noch billigt.
Keine Äußerung von Mehdorn
Konsequenzen gibt's nicht. Mehdorn hält es nicht einmal für nötig, sich zum Thema zu äußern. Er ist ja auch weit weg, in den Golfemiraten, um Anteilseigner für seinen Konzern zu gewinnen. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, den Mehdorn auf seiner Reise begleitet, schweigt. Als Kanzlerkandidat der SPD hätte er nachgerade die Pflicht zu einer Stellungnahme. Auf dem Berliner Sonderparteitag der Sozialdemokraten konnte ein Antrag gegen die Privatisierungspläne in seinem Beisein gerade noch so abgeschmettert werden. Vom Schweigen der Bundeskanzlerin ganz zu schweigen.
Nun muss im Bundesverkehrsministerium schon wieder ein Staatssekretär seinen Hut nehmen, weil er bei dem Deal mit von der Party war. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, der von allem nichts gewusst haben will, muss sich fragen lassen, wieso in seinem Haus die Mäuse auf dem Tisch tanzen selbst wenn die Katze im Haus ist.
Krisenmanagement ist das nicht. Und das viel zitierte Vertrauen schafft man so auch nicht. Ganz im Gegenteil.
Quelle: ntv.de