Zwischenruf Warum nicht Kipping gegen Rösler?
06.04.2011, 13:40 Uhr
Für Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ist der Vorstoß von Gregor Gysi nicht unbedingt hilfreich.
(Foto: dapd)
Gregor Gysi kann sich die Rückkehr von Oskar Lafontaine an die Spitze der Linken in einer "Notsituation" vorstellen - doch die Notsituation ist längst da. Eine Dauerlösung wäre eine Wiederauflage des Gespanns Lafontaine-Gysi jedoch nicht. Wie die FDP braucht die Linke einen Generationswechsel.
Die Ankündigung von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi einer möglichen Rückkehr von Oskar Lafontaine in die Bundespolitik ist auf den ersten Blick eine Formalie: Der einstige Parteivorsitzende ist nach seiner Genesung im Wahlkampf in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz aktiv gewesen. In einschlägigen Polittalkshows ist der redegewandte Saarländer präsent wie eh und je.
Doch hat eine Stimme in unserem hierarchieverliebten Land nun einmal mehr Gewicht, wenn sie Meinungen aus einer durch Wahlen legitimierten Position heraus verkündet. Lafontaine steht zudem für die Westausdehnung der sozialistischen Linken in Deutschland. Der aus Bayern stammende Ko-Vorsitzende Klaus Ernst konnte nicht einmal seinen eigenen Landesverband geschlossen hinter sich bringen. Bei manchem ostdeutschen Politiker der Linken, der sich gern als Pragmatiker sieht, wird die Ankündigung Gysis Stirnrunzeln auslösen. Lafontaines Kritik am rot-roten Regierungsbündnis in der Hauptstadt war Leuten wie dem Klaus Lederer, Chef der Berliner Linken, und Stefan Liebich, Initiator des reformorientierten Forums Demokratischer Sozialismus, stets ein Rotdorn im Auge.
Der Haken an Gysis Ankündigung ist die Einschränkung, er könne sich die Rückkehr Lafontaines "in einer Notsituation" vorstellen. Was ist eine "Notsituation"? Wenn die Linke in der Sonntagsfrage unter fünf Prozent liegt, wie jetzt die Freien Demokraten? Die Notsituation ist eigentlich schon da, denn seit Monaten schlägt der Sympathiezeiger für die Linke zwischen acht und zehn Prozent aus. Das ist sicher viel für eine Partei, die zu PDS-Zeiten um den Einzug in den Bundestag zittern musste. Überzeugend ist das nicht, wenn man beim letzten Urnengang knapp zwölf Prozent erreicht hat.
Das Problem der Linken ist aber in Gestalt von Klaus Ernst nicht nur ein personelles, sondern auch ein inhaltliches. Die seit Jahren vor sich hindümpelnde Programmdiskussion muss zügig zum Abschluss gebracht werden, damit der Wähler weiß, wem er seine Stimme gibt. Wenn sich die Linke in Zeiten des grünen Höhenflugs nun auf grüne Themen konzentrieren will, wie manch einer fordert, macht sie sich selbst überflüssig. Dann schon lieber das Original. Da aber der Anti-AKW-Boom nicht bis zum September 2013 andauert wird, bleibt der Linken kein anderer Weg als ihre eigenen - sozialen und friedenpolitischen - Themen zu vertreten. Das kann sie mit einem Gespann Lafontaine-Gysi besser als mit dem jetzigen Führungsduo. Eine Dauerlösung ist das aber auch nicht. Wenn sich die Linke nicht zu einem Generationswechsel à la FDP entschließt, kann es für die Partei mittelfristig zu einer noch ernsteren Notsituation kommen. Ein Schlagabtausch zwischen den Parteivorsitzenden Philipp Rösler und Katja Kipping im Hohen Haus wäre doch mal etwas anderes. Vorausgesetzt, die Liberalen schaffen es wieder in den Bundestag, und die Sozialisten erkennen, dass sie schon jetzt in einer Notsituation sind.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de