Fast wie bei Freunden "Wladimir" feixt und verblüfft "George"
07.06.2007, 19:05 UhrVon Laszlo Trankovits, dpa
Plötzlich war es fast wie bei alten Freunden: Auf dem sonnenbeschienenen Parkweg vor dem Kurhaus von Heiligendamm knuffte Russlands Präsident Wladimir Putin seinen amerikanischen Amtskollegen George W. Bush freundschaftlich in die Seite und lachte feixend in die Kameras. Bush lachte mit und versuchte durchaus erfolgreich, seine Überraschung zu verbergen -aber er wirkte etwas angespannt. Nach all den verbalen Attacken Putins in den vergangenen Wochen auf die US-Führung besonders wegen der Raketenpläne in Mitteleuropa hatte kaum jemand in der amerikanischen US-Delegation mit einem dermaßen aufgeknöpften und offensiven Putin gerechnet. US-Sicherheitsberater Stephen Hadley gestand später ein, dass die russische Initiative durchaus überraschend gekommen sei.
Mit seinem Vorschlag, statt eines US-Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien lieber alte, noch aus der Sowjetzeit stammende Radarsysteme zu verwenden, hat Putin die Initiative an sich gerissen. "Mutig und interessant" nannten Bush und Hadley Putins Idee. Sichtlich erleichtert aber ist das Weiße Haus, dass eine befürchtete Eskalation zwischen Moskau und Washington nun offenbar doch ausbleibt.
Es war nicht das erste Mal, das Washington die russische Führung nicht richtig eingeschätzt hat. Die heftige Debatte um das geplante US-Raketenabwehrsystem wäre möglicherweise zu vermeiden gewesen, wäre Moskau früher einbezogen worden. Inzwischen stimmen auch US-Diplomaten dieser Einschätzung beispielsweise von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, zu. Mehrfach betonte US-Außenministerin Condoleezza Rice ihr Unverständnis über Russlands Bedenken gegen das Abwehrsystem. Bush wiederholte fast gebetsmühlenartig, dass die Abwehrraketen in keiner Weise gegen Russland gerichtet seien, sondern nur vor iranischen Raketen schützen sollten. Inzwischen sieht auch das Weiße Haus, dass es in Moskau erhebliche Empfindlichkeiten gibt, wenn sich der US-Militärapparat immer stärker rund um Russland engagiert.
Also bemühte sich Bush in den vergangenen Wochen darum, Putin zu besänftigen, egal wie heftig dieser Washington als "imperialistisch" und "arrogant" kritisierte und sogar in einem Interview drohte, europäische Ziele ins Raketenvisier zu nehmen. Das Weiße Haus glaubt nun, dass sich die Friedfertigkeit ausgezahlt habe. Besonders zufrieden kann Bush sein, dass Putin eine mögliche Gefahr durch iranische Raketen nun öffentlich als zumindest diskussionswert anerkannt hat.
Die Wogen der emotionalen Debatte scheinen nach Heiligendamm geglättet. Bilaterale Arbeitsgruppen sollen über die besten Lösungen für Raketenabwehrsysteme beraten, die im Interesse beider Staaten lägen. Und dann erwartet Bush im Juli "Wladimir", wie er ihn auch beim G8-Gipfel demonstrativ mehrfach nannte, in dem Haus seine Vaters in Kennebunkport in Maine. Spätestens dann, so hofft das Weiße Haus, werde es wieder richtig freundschaftlich zwischen den beiden Staatsmännern.
Die kurzzeitig aufgeflammten Töne wie aus Zeiten des Kalten Krieges scheinen zwar zunächst einmal vorbei. Allerdings hat sich das Verhältnis der beiden Staaten abgekühlt, das gegenseitige Misstrauen ist gewachsen. Die Mitglieder der US-Delegation in Heiligendamm wurden der "Washington Post" zufolge angewiesen, ihre Handys nicht für E-Mails zu nutzen, weil die Amerikaner russische Abhöraktivitäten fürchteten.
Quelle: ntv.de