Kommentar Zum Fenster rausgeworfen
09.11.2009, 13:45 Uhr
100 Euro zusätzlich erhalten die Eltern dieser Kinder künftig pro Monat - ihre Kita hat nichts davon - wenn sie überhaupt einen Kita-Platz haben.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Es ist das falsche Signal zur falschen Zeit: Das Bundeskabinett hat beschlossen, Kindergeld und Kinderfreibetrag zu erhöhen. Dass diese höchst überflüssige und zugleich sozial ungerechte Maßnahme Teil des "Wachstumsbeschleunigungsgesetzes" ist, mag man wahlweise als Hinweis auf die Hilf- oder Einfallslosigkeit der Bundesregierung sehen.
Eltern und Kinder brauchen kein höheres Kindergeld, schon gar keinen höheren Kinderfreibetrag, sondern bessere Schulen, bessere Kitas und mehr Kita-Plätze. 2008 rief Bundeskanzlerin Angela Merkel die "Bildungsrepublik Deutschland" aus. Sie beklagte damals, dass die Bildungsausgaben in Deutschland im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht zunehmen, sondern schrumpfen. Das Thema sollte Chefsache werden. Die Geschenke, die es nun stattdessen gibt, muten an wie Bestechungszahlungen: Liebe Eltern, nehmt das Geld und ignoriert die Zustände an den Schulen und Kindergärten, die eure Kinder besuchen.
40 Euro zusätzlich bekommen Eltern mit zwei Kindern künftig im Monat, für Besserverdienende ist es dank der unsinnigen Freibetragsregeln noch mehr. 4,6 Milliarden Euro kostet der Spaß. Pro Jahr. 4,6 Milliarden, die aus ideologischer Verblendung sinnlos zum Fenster herausgeworfen werden. Jeder weiß, dass die Schulklassen trotz sinkender Schülerzahlen viel zu groß sind, jeder weiß, dass die Ausbildung der Erzieherinnen verbessert werden muss, jeder weiß, dass Erzieherinnen für ihre wichtige und harte Arbeit mehr Geld bekommen müssen. Jeder weiß das, auch die Kanzlerin. In ihren Sonntagsreden erwähnt sie es gelegentlich.
Union und FDP haben sich auf Steuersenkungen von jährlich bis zu 24 Milliarden Euro verständigt. Um nur 12 Milliarden Euro bis 2013 wollen sie die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung erhöhen. Motto ihres Koalitionsvertrags ist "Wachstum. Bildung. Zusammenhalt." Der Titel trügt. "Schulden. Steuergeschenke. Klientelismus." wäre ehrlicher gewesen.
Quelle: ntv.de