Friedensnobelpreis an die EU verliehen "An die Arbeit, Europa!"
10.12.2012, 20:56 Uhr
Freut sich über die "außergewöhnliche Ehre": EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mit der Friedensnobelpreis-Medaille.
(Foto: REUTERS)
Ein bedeutender Tag für die Europäische Union. Für ihren Beitrag zu einem friedlichen und stabilen Europa wird der Staatenverbund mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die Wahl des norwegischen Komitees ist nicht unumstritten. So versammelten sich mehrere hundert Menschen in Oslo um gegen die Verleihung zu protestieren und auch ehemalige Preisträger wie Desmond Tutu lehnen die EU als Träger des Friedensnobelpreises ab. Das Gros der deutschen Tageszeitungen hingegen bezeichnet die Ehrung als durchaus gerechtfertigt.
Die Rhein-Zeitung kommentiert, die Auszeichnung sei mehr als nur ein Lob für sechs Jahrzehnte Aussöhnungspolitik: "Sie ist eine Aufforderung zum Handeln, eine Verpflichtung, das Erfolgsprojekt der Gründerväter weiterzuentwickeln. Es geht darum, eine Werte- und Solidargemeinschaft zukunftsfähig zu machen, die in der größten Bewährungsprobe ihrer Geschichte steckt. Nur zusammen kann die Union im globalen Wettbewerb bestehen - ihren Wohlstand, ihre Werte und ihr Modell der sozialen Marktwirtschaft verteidigen. Doch die Schuldenkrise entzweit zunehmend Geber- und Nehmerländer. Sie gefährdet jene Basis, die Europa seit jeher stark macht: der Wille zum Miteinander, zum Kompromiss. Der ist aber mehr denn je nötig."
"Die historische Leistung darf also gewürdigt werden", schreibt die Märkische Oderzeitung und begründet: "Gäbe es sie nicht, wäre die Erweiterung der EU von ursprünglich sechs auf bald 28 Mitglieder nicht erklärbar. Sie war ja keine Zwangsmaßnahme. Eine Konstante freilich bleiben nationale Differenzen, die sich immer wieder auch krisenhaft entladen - die bislang aber immer wieder ins große Gemeinschaftswerk eingebunden und damit gelöst oder doch wenigstens entschärft werden konnten. Angesichts der europäischen Geschichte keine geringe Leistung."
Die Stuttgarter Zeitung lobt den Auftritt der EU-Vertreter bei der Preisverleihung: "Vor allem Ratschef Herman Van Rompuy gelang eine emotionale Dankesrede, die sich auch ein wenig lustig machen konnte über den Brüsseler Betrieb, in dem 'Minister aus Binnenländern leidenschaftlich über Fischfangquoten und Europaabgeordnete aus Skandinavien über den Preis von Olivenöl debattieren'." Doch die große Prüfung, so die Zeitung weiter, stehe noch bevor: "Die wirtschaftliche Lage erzwingt eine weitere Integration, die eine Mehrheit der Bürger aber ablehnt. Und diese Zweifel werden wachsen, wenn es nicht gelingt, den sozialen Frieden wieder herzustellen."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung betont, wie wichtig der Preis für die EU in Zeiten der Krise ist: "Die Europäische Union bekommt den Friedensnobelpreis in einer Phase ihrer Entwicklung, in der sie Zuspruch bitter nötig hat." Ferner geht sie auf die Kritik an der EU als Preisträger ein: "Dass auch diese Auszeichnung nicht unumstritten ist - wie viele zuvor - versteht sich von selbst. Für die einen tut Europa zu wenig für die Menschenrechte auf der Welt; andere werfen der EU vor, dass sie es bisher nicht geschafft habe, eine "wirkliche Macht", militärische Potenz inbegriffen, zu werden. Manche befürchten, "Brüssel" sei auf dem besten Wege, ein bürokratisches Monster zu werden, das Freiheit einschränkt und Marktwirtschaft behindert; andere kritisieren, dass die EU sozialstaatliche Errungenschaften einem Götzen namens Neoliberalismus opfern wolle."
"Die jetzigen Macher, ob in Brüssel oder in den Nationalstaaten, verwalten Europa. Sie reduzieren es auf Wachstumszahlen und Haushaltsdefizite", stellen die Nürnberger Nachrichten fest und bemängeln: "Die gehören dazu - aber sie können nicht alles sein. Sonst nämlich wäre jenes gemeinsame Europa unmittelbar nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs nie zustande gekommen. Der Friedensnobelpreis ging nicht an diejenigen, die ihn entgegennahmen. Er ging an wahrhaft mutige Politiker, die für ihre Ziele kämpften und nicht für ihre Umfragewerte. Die drei braven Herren, die nun die Auszeichnung erhielten - sie täten gut daran, den Preis als Erbe zu sehen und Ansporn. Ebenso wie die Staatschefs, die sich sonnten in einem Glanz, für den sie viel zu wenig getan haben. Genug gefeiert. An die Arbeit, Europa!"
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Aljoscha Ilg