NSA-Ausschussvorsitzender tritt zurück "Angst, Ströbele nicht gewachsen zu sein"
09.04.2014, 21:10 Uhr
Nach nur einer Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses verkündet dessen Vorsitzender Clemens Binninger seinen Rücktritt. Grund sei der Streit um eine von der Opposition geforderte Vernehmung des Ex-Geheimdienst-Mitarbeiters Snowden. Als weitere Begründung führte der CDU-Abgeordnete Aufgabenkonflikte mit seiner Arbeit als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums an.
"Das ist rekordverdächtig", kommentieren die Lübecker Nachrichten den frühen Rücktritt des Ausschuss-Vorsitzenden. Selbstverständlich wolle sich die Opposition "mit der spektakulären Vernehmung" Snowdens in Szene setzen. Das ändere jedoch nichts daran, "dass der NSA-Abtrünnige ein wichtiger Zeuge ist". Die Begründung für Binnigers Rücktritt sei unglaubwürdig: "Binninger, seit zwölf Jahren im Bundestag, kennt das Geschäft zu gut, als dass man ihm seine gedrechselte Begründung für den Rückzieher abnehmen kann."
Die Leipziger Volkszeitung bezeichnet den Vorgang als "Eklat": Die Begründung des Unionsmanns Clemens Binninger sei bemerkenswert, "aber nicht ganz beim Kern der Sache". Der CDU-Politiker hätte sich der bevorstehenden Doppelbelastung durch sein Amt als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums bewusst sein müssen. Zum Streit um die Aussage Snowdens schreibt das Blatt weiter: "Dass es Linken und Grünen darauf ankommt, den legendären Edward Snowden ins Scheinwerferlicht zu zerren, war auch lange bekannt. Es macht ja auch durchaus Sinn: Der Kronzeuge in Sachen NSA kann vermutlich am meisten zur Aufklärung beitragen - und zieht am besten."
Die Neue Osnabrücker Zeitung hält eine Befragung Snowdens in Deutschland für unwahrscheinlich: "Snowden im Reichstag die USA unter Beifall der halben Republik öffentlich vorführen zu lassen, dürfte die letzten Reste des ohnehin geringen Willens zur Offenheit auf amerikanischer Seite beseitigen, sofern man einen solchen denn auszumachen meint." Neben derartigen Erwägungen mag Clemens Binninger auch die Angst getrieben haben, dem "bis zur Hinterlist durchtriebenen Hans-Christian Ströbele" nicht gewachsen zu sein: "Denn Vorsitz hin oder her, der Grüne, Held des Handyfotos von Moskau, hätte ihn monatelang vor sich hergetrieben."
Ströbeles Reise nach Moskau hätte Binninger eine Warnung sein müssen, schreiben die Badischen Neuesten Nachrichten: "Ströbele platzte damals schier vor Selbstzufriedenheit über seinen Coup. Auch ohne diesen selbstverliebten Auftritt war eigentlich immer klar, dass Ströbele natürlich nicht alleine daran interessiert ist, die Umtriebe der NSA in Deutschland aufzuklären." Für Ströbele seien die USA "der Hort des Bösen". Während Binninger für eine "sachliche Aufklärung" stehe, sei es Ströbele schon immer um eine "Generalabrechnung mit den Geheimdiensten" und den USA gegangen.
Für die Westfälische Nachrichten geht es bei dem Streit über die Befragung Snowdens, um einen reinen Machtkampf zwischen Opposition und Koalition: "Sicher, der NSA-Ausschuss ist für die Opposition eine der wenigen Chancen, sich in der Öffentlichkeit zu profilieren - gegen die erdrückende Mehrheit von Schwarz-Rot im Parlament. Für Ströbele und Co. wäre eine Snowden-Anhörung in Deutschland ein schöner Coup ... Mit dem Rücktritt Binningers zeigt die Koalition die rote Linie in Sachen Snowden auf. Dem NSA-Ausschuss wird der Zahn gezogen."
Zu den von Binniger genannten Aufgabenkonflikten schreibt der Trierische Volksfreund: "Als gleichzeitiger Vorsitzender des Parlamentsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste bekäme er (Clemens Binninger) womöglich ein Geheimnis mitgeteilt, um dessen Offenlegung er sich im NSA-Ausschuss bemühen müsste." Das sei zweifellos paradox, allerdings stelle sich demnach die Frage, so die Zeitung weiter: "Warum ist Binninger dann überhaupt NSA-Ausschusschef geworden?" Die Führung der Unionsfraktion müsse sich nun den Vorwurf gefallen lassen, "auf den falschen Mann gesetzt zu haben." Dem Untersuchungsausschuss hätten sie damit einen Bärendienst erwiesen, kommentiert das Blatt abschließend.
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.
Quelle: ntv.de