Fiat will Opel Arroganz vor der Schrottpresse
04.05.2009, 19:55 UhrFiat will zusammen mit Opel und Chrysler einen der größten Autokonzerne der Welt schaffen. Das italienische Unternehmen beabsichtige, die drei traditionsreichen Autobauer zu einem einzigen Konzern zu verschmelzen, sagt Fiat-Chef Sergio Marchionne. Die Opel-Werke in Rüsselsheim, Bochum und Eisenach sollen nach diesem Plan erhalten bleiben, von der Schließung bedroht sein könnte das Werk in Kaiserslautern. Insgesamt eine Traum-Ehe oder eher ein Abwrack-Fall?
Der Nordbayerische Kurier aus Bayreuth ist skeptisch, sieht aber auch Chancen: "An die 'Hochzeit im Himmel', die Fiat-Chef Sergio Marchionne der umworbenen Braut Opel verspricht, mag in der Auto-Hochburg Deutschland kaum jemand glauben. Fiat täte gut daran, den Himmel bei seinen erdgebundenen Aktivitäten außen vor zu lassen. Eine Vernunftehe würde ja schon genügen. Aber wie vernünftig ist ein Konzern, der Fiat, Alfa, Lancia, Opel und Chrysler unter einem Dach vereint? Alle drei Hersteller spielen in der gleichen Liga, die Produktpaletten überlappen sich. Doch da gibt es auch die sinnvolle Ergänzung der Markenprofile: Fiat, der Kleinwagenbauer. Opel für die solide Mittelklasse, in der Fiat schwächelt. Chrysler für den amerikanischen Markt."
Die Münchener Abendzeitung sieht in jedem Fall schmerzhafte Einschnitte bei Opel voraus: "Mag sein, dass Fiat-Chef Marchionne mit seinen öffentlich geäußerten Allmachtsphantasien einen geheimen Masterplan verfolgt. Dem breiten Publikum bleibt bisher weitgehend schleierhaft, wie sich die Übernahme Opels durch Fiat rechnen soll. Das öffentliche Gedöns ist freilich das Letzte, was die Opelaner zurzeit brauchen können. Fast zwangsläufig profiliert sich Magna als ernstzunehmende Alternative zu Fiat. Was dabei übersehen wird: Auch die Österreicher werden, sollten sie Opel kaufen, sparen und umstrukturieren müssen. Der bisherige Unternehmenszuschnitt war auf General Motors ausgerichtet, als eigenständiger Hersteller braucht Opel neue Produktionsstrukturen. Eine schmerzlose Rettung für die Rüsselsheimer wird es deswegen kaum geben - nicht mit Fiat und nicht mit Magna."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist überrascht: "Fiat hat sich langsam herangepirscht, jetzt machen die Italiener Tempo. Obwohl die Zweifel an einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Opel fortbestehen, nimmt nach einem Besuch in Berlin der Übernahmeplan Konturen an. Fiat will drei deutsche Opel-Standorte bewahren: Bochum, Eisenach und Rüsselsheim, Kaiserslautern nicht. Die Sensation dabei ist nicht, dass Kaiserslautern zur Disposition steht, sondern dass die anderen drei gerettet werden sollen. Denn Opel hat größere Probleme als sein kleines Werk in der Pfalz, in dem 1130 Mitarbeiter Motoren und weitere 2360 Komponenten bauen. Seit Jahren versucht Opel das Werk zu verkaufen; zuletzt hat der Zulieferer Kirchhoff nach monatelanger Rentabilitätsprüfung verzichtet. Es muss also womöglich geschlossen werden."
Die Allgemeine Zeitung aus Mainz vermisst Klarheit, wenn sie schreibt: "Fiat-Chef Sergio Marchionne hat in Berlin vorgesprochen und höchst ehrgeizige Pläne entrollt, in denen Opel eine wichtige Rolle spielen soll. Das Kleingedruckte hat er allerdings nicht mitgebracht. Das macht zu Recht misstrauisch. Doch den Schlüssel zur Opel-Zukunft hat der Bundeswirtschaftsminister in der Hand, denn ohne Staatsbürgschaften oder Darlehen wird es keine Hochzeit geben. Wer bezahlt, bestimmt aber auch die Spielregeln. Das weiß Sergio Marchionne genau, und deshalb war sein Auftritt keineswegs Operette, sondern der erste Akt einer sehr ernsthaften Oper."
Die Nürnberger Nachrichten beklagen eine gewisse Arroganz bei Opel: "Dennoch verwundert es schon, welch teils hysterische Ablehnung den Turinern in den vergangenen Tagen gerade vom Opel-Betriebsrat entgegenschallte. Der Verdacht liegt nahe, dass da nicht nur rationale Motive ursächlich sind. Es stimmt: Das Image von Fiat ist in weiten Kreisen äußerst bescheiden - das Kürzel steht gerne mal für 'Fehler in allen Teilen'. Doch für Opel gibt es keinen Grund, auf Fiat herabzublicken. Schon gar nicht, wenn man selbst - bildlich gesprochen - kurz davor steht, ein Fall für die Schrottpresse zu werden."
Ganz anders sieht das der Trierische Volksfreund: "Mit großem Engagement kämpft Fiat-Chef Sergio Marchionne um den Einstieg bei Opel. Mit Blick auf die desaströse Lage auf dem Automarkt hat das Sinn: Vor allem Fiat würde profitieren. Einen Konkurrenten geschluckt, Technik und Absatzmärkte erobert, ohne viel Geld dafür zu zahlen. (...) Die Fiat-Kassen sind so leer, dass selbst Kirchenmäuse das Jammern bekommen. Die Rating-Agentur Standard & Poor's bezeichnete Fiat als gefallenen Engel. Steigt Fiat bei Opel ein, ist das für die Rüsselsheimer der Anfang vom Ende. Dieser Engel ist kein Retter."
Quelle: ntv.de