Massenproteste in Ägypten "Bewährungsprobe steht noch bevor"
01.02.2011, 22:23 UhrSeit Tagen fordern Demonstranten in Ägypten den Rücktritt des seit fast 30 Jahren amtierenden Präsidenten Husni Mubarak. Zuletzt demonstrierten Hunderttausende Menschen allein in der Hauptstadt Kairo, manche Medien meldeten sogar mehrere Millionen Teilnehmer. Für die Presse ist die Rolle des Militärs entscheidend - auch, weil es im Land am Nil keine Erfahrungen mit Demokratie gibt. Zudem sei eine Vorverurteilung der starken islamischen Kräfte nicht angebracht.
Der Südkurier aus Konstanz sieht die Zeit von Präsident Mubarak gekommen: "Entweder lassen die Generäle den Staatschef fallen oder das Volk wendet sich gegen sie. Damit wäre die Situation endgültig außer Kontrolle. Die Demonstranten sind sich einig, dass sie Mubarak nicht mehr wollen. Doch wen oder was wollen sie dann?" Sobald der Präsident das Feld geräumt habe, "werden sich Risse in der Protestfront auftun." Die größte Bewährungsprobe stehe Ägypten noch bevor.
Die Saarbrücker Zeitung kommentiert die zentrale Rolle des ägyptischen Militärs. "Alle Staatschefs kamen seit 1952 aus den Reihen der Offiziere, die das System aufbauten, erhielten und schützten, auch zu ihrem eigenen Vorteil." Die Militärführung setze offenbar noch auf freie Präsidentschaftswahlen im September, die einen natürlichen Abtritt Mubaraks ermöglichen würden. Aber: "Ein derart aufgeschobener Wandel aber könnte sich als Katastrophe erweisen."
Der Tagesspiegel aus Berlin bewertet den Einfluss der USA als "begrenzt", Präsident Barack Obama sei von der Dynamik überrascht worden. "Amerika hat dieses Aufbegehren nicht seit Jahren aktiv begleitet wie vor 1989 in Europa. Es hat auch keine engen Kontakte zu einer breiten Palette von Oppositionskräften, die als alternative Regierung bereitstehen." Das Problem: Anders als Polen oder Ungarn habe Ägypten "keine Erfahrung mit Demokratie und Bürgergesellschaft, auf die es zurückgreifen kann. Es gibt kein aufgefächertes Parteiensystem, das die konkurrierenden Interessen von Arm und Reich, Arbeitern, Wirtschaft und der großen Zahl von Bauern vertreten kann."
Vor Vorverurteilungen warnt indes die Nürnberger Zeitung. Der Umbruch gehe nicht durch Islamisten oder Putschisten von statten, "sondern von jungen, gut ausgebildeten Männern und Frauen, von besorgten Müttern und Mittelständlern." Man müsse sich davor hüten, "dem Islam von vornherein seine Demokratiefähigkeit abzusprechen. Es gibt ansehnliche muslimische Gemeinden in allen westlichen Ländern, auch in den USA, wo sich Muslime integrieren und die Trennung von Staat und Religion zu schätzen wissen."
"Auch wenn es vielleicht keine zwei Millionen Menschen gewesen sein mögen, die sich auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo zu einer neuerlichen Kundgebung zusammenfanden, sondern weniger, so war es doch eine machtvolle Bekundung des Volkswillens: Mubarak trete ab!", schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die merkliche Zurückhaltung der Armee könne ebenfalls in diesem Sinne gedeutet werden. Nahe liege die Parallele zu den Vorfällen in Tunesien. "Schon in Tunis hatte sich das Militär dem Despoten Ben Ali verweigert, was dessen überraschenden Abgang drastisch beschleunigte."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Roland Peters